Die historische Abreibung schlug Marco Reus mächtig aufs Gemüt. Im Frust über die höchste Niederlage in der langen Champions-League-Historie seines Herzensclub verspürte der Kapitän von Borussia Dortmund wenig Lust auf Schönfärberei.
«Es stand nicht auf dem Plan, dass wir hier so untergehen», klagte der Nationalspieler nach dem demütigenden 0:4 (0:2) bei Ajax Amsterdam. Der bedenkliche Klassenunterschied zwischen beiden Teams gab auch Mittelfeldspieler Julian Brandt zu denken: «Es war für uns eine Lehrstunde. Wir haben unsere Grenzen aufgezeigt bekommen. Diese Niederlage tut extrem weh.
In allen Belangen die klar schlechtere Mannschaft
In einer für ein Bundesliga-Spitzenteam unwürdigen Manier ging die Borussia beim niederländischen Meister regelrecht unter und schürte damit die Diskussionen über die schwindende Qualität der heimischen Liga. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Lehrstunde in der tosenden Johan-Cruyff-Arena einen folgenschweren Knacks für den weiteren Saisonverlauf verursacht. «Wir waren in allen Belangen die klar schlechtere Mannschaft. Man kann davon sprechen, dass wir mit dem 0:4 noch gut bedient waren», kommentierte Routinier Mats Hummels freimütig.
Ähnlich wie seine Spieler machte auch Marco Rose aus seiner Gemütsverfassung keinen Hehl und bezeichnete sie in aller Offenheit als «beschissen». Dennoch klang der BVB-Coach mehr kämpferisch als niedergeschlagen. Der mit Abstand schlechteste Auftritt der Borussia seit seinem Amtsantritt in diesem Sommer taugt nach seiner Einschätzung als Weckruf: «Dieses Spiel können wir gut nutzen und viele Dinge besser machen.»
Fehlende Überzeugung und Körpersprache
Vor allem die fehlende Überzeugung und Körpersprache seiner Profis nach dem Eigentor von Marco Reus (11. Minute) und dem 2:0 durch den starken Daley Blind (25.) ging Rose gegen den Strich. «In dem Moment, wo es schwieirg wird, muss man Lösungen finden. Da müssen wir trotzdem weiter Borussia Dortmund ausstrahlen. Man muss in jedem Moment zeigen, dass man daran glaubt, das Spiel noch gewinnen zu können.»
In einem ersten Interview beim Streamingdienst Amazon Prime empfahl er seinen Profis einen Blick Richtung FC Bayern: «In München winkt dann ein Joshua Kimmich nicht nur ab, der ist dann richtig sauer. Da ist dann richtig Feuer unterm Dach. Das ist vielleicht der Unterschied.»
Nicht minder deutlich fiel das Fazit von Sebastian Kehl aus. «Auf diesem Niveau dürfen wir nicht so auftreten. Das war nicht das Gesicht, das wir von Borussia Dortmund sehen möchten», sagte der Lizenzspielerchef und frühere Profi am nächsten Tag bei Sport1, «nach den vergangenen Wochen und der wirklich guten Entwicklung haben wir das so natürlich nicht erwartet.»
Schon beim ersten Blick auf die kritischen Medienkommentare während der nächlichen Heimfahrt dürften seine in den vergangenen Wochen gelobten Profis ein Gefühl dafür bekommen haben, wie schnell sich der Wind nach solch einem desaströsen Auftritt drehen kann. Rose erinnerte alle Beteiligten an den bisher intakten Teamspirit: «Es muss unser Ziel sein, solche Spiele in Zukunft zu gewinnen. Das muss uns antreiben. Aber das schaffen wir nur, wenn wir zusammenstehen und auch solche Abende wegstecken. Wenn wir uns nicht auseinander dividieren lassen.»
«Wir haben die Chance alles besser zu machen»
Am 3. November steht das nächste Kräftemessen mit den Hochgeschwindigkeits-Kickern aus Amsterdam an. Bei einer weiteren Niederlage gegen den Spitzenreiter der Gruppe C (9) könnte der avisierte Einzug in das Achtelfinale noch in Gefahr geraten. Schließlich liegt der Tabellendritte Sporting Lissabon (3) nach seinem Sieg über den Letzten Besiktas Istanbul (0) nur noch drei Zähler hinter dem Tabellenzweiten aus Dortmund (6).
Kehl pflichtete dem Profi bei: «Die Kritik an uns ist angebracht und der stellen wir uns. Aber klar ist auch: Wir werden jetzt inmitten einer Entwicklung, die bis gestern Abend positiv war, nicht alles infrage stellen oder in Nervosität verfallen.»
Gleichwohl bleibt dem BVB nach der bitteren Fußballnacht von Amsterdam viel Arbeit. «Ich habe den Spielern gesagt, die Quintessenz aus der Nummer ist, dass wir sehr, sehr viel arbeiten müssen, um uns zu verbessern und um unsere Ziele zu erreichen», kommentierte Rose.