Tayfun Korkut schaute mitten in die Sonne. Blenden lassen wollte sich der Hertha-Trainer aber auch von den schon wärmenden Strahlen nicht.
Die nächste desolate Leistung seiner Mannschaft beim 1:2 am Vortag bei Schlusslicht SpVgg Greuther Fürth hatte dem bislang ziemlich glücklosen Coach des in der Dauerkrise steckenden Berliner Fußball-Bundesligisten schonungslos die Augen geöffnet. Ein Mentalitätswandel muss her bei der Hertha – und zwar schnell, konstatierte Korkut nach einem rund 45-minütigen Dauerlauf bei einem Mediengespräch auf dem Olympia-Gelände.
Eine «absolute Fokussierung» mahnte Korkut im Abstiegskampf an. Nach fünf Ligaspielen ohne Sieg und nur noch einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsrang war die Botschaft des 47-Jährigen an seine Spieler erstaunlich genug. Denn letztlich forderte der Trainer von den Profis nur Selbstverständlichkeiten ein. «Realistisch sein und die Situation annehmen, wie sie ist», sagte Korkut und fügte Worte an, die wieder einmal Zweifel am Charakter mancher Hertha-Profis aufkommen ließen. Man dürfe «nicht schon an andere Sachen denken, wo vielleicht der eine oder andere sich selber sieht», sagte der Trainer.
Korkut nimmt die Mannschaft in die Pflicht
Auf Nachfrage verneinte Korkut, dass er speziell über Egoismen der Stars gesprochen habe. Aber manche Laune scheint ihm nicht zu gefallen. «Wir erwarten von der Mannschaft, dass sie näher rückt. Am Ende ist es so, wenn eine Mannschaft in einer schwierigen Situation ist, muss sie sich selber rausbringen, da muss jeder Spieler seine Befindlichkeiten noch mal neu regulieren, auch schauen, dass er sich unterordnet in der Mannschaft», sagte er.
Die erste Halbzeit in Fürth, als das Spiel früh verloren ging, lieferte zu viele Gegenbeispiele. Die mitgereisten Hertha-Fans waren empört und riefen «Absteiger, Absteiger». Die anstehenden Spiele gegen RB Leipzig, beim SC Freiburg und gegen Eintracht Frankfurt bezeichnete der Hertha-Coach selbst als «dicke Brocken».
Die Crux, die Korkut in der Hauptstadt wie seine Vorgänger von Pal Dardai über Bruno Labbadia bis Jürgen Klinsmann erfährt, bleibt das Mysterium einer Mannschaft, die nicht zu einer selbigen zu formen ist, die in Stresssituationen immer wieder Anfängerfehler macht. «Es ist extrem kacke, dass wir schon wieder in einer solchen Situation stecken», beschrieb Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt die aktuelle Lage. «Ohne Kampf geht es nicht. Wir müssen deutlich mehr machen», sagte Routinier Vladimir Darida.
Noch bewegt sich Korkut hart am Rande von Phrasen und Parolen. Der Ex-Profi spricht von Qualität, die nichts zähle, wenn der Einsatz nicht stimme und von seiner Abneigung, herumzuschreien oder den Hampelmann zu spielen. Dass er seinen ohnehin nur bis zum Saisonende laufenden Vertrag erfüllen darf, wird mittlerweile schon ziemlich infrage gestellt im Westend der Hauptstadt. Der große Macher Fredi Bobic dürfte aber zumindest vorerst noch an seiner ersten Trainerwahl nach der Trennung von Club-Ikone Dardai festhalten – trotz der Sehnsucht vieler Fans nach Niko Kovac als Hertha-Retter.