Wenn ein 18-Jähriger Abwehrspieler bereits 35 Spiele für die erste Mannschaft im Profi-Erstligafußball bestritten hat (sechs davon im Europapokal) und das als Stammspieler in einem Team, das mit nur einem Gegentor die beste Abwehr der Vorrunde stellte, dann muss man sich bei Dinamo Zagreb nicht wundern, wenn den Verantwortlichen der europäischen Spitzenteams schon mal das Monokel ins Champagnerglas fällt, und sie sofort zum Hörer greifen.
Fischer als Plan B
So geschah es auch im Wintertransferfenster der Saison 2020/21, dort gelang RasenBallsport Leipzig, das kroatische Innenverteidiger-Talent langfristig an sich zu binden, um ab Sommer 2021 die Lücke hinter Dayot Upamecano zu schließen.
Der nunmehr 20 Jahre alte, sehr bescheidene und bodenständige Kroate, Josko Gvardiol, ist mit seinen zwei Geschwistern in einer 5-Raumwohnung in einfachen Verhältnissen in einem Hochhaus in Zagreb aufgewachsen. Schon seit seinem achten Lebensjahr spielte er bei Dinamo.
Selber sagt er: “Wenn ich kein Fußballspieler wäre, wäre ich ein Fischer wie Papa.” Familie und Freunde gehen ihm über alles, Erfolg ist für ihn nicht selbstverständlich. Zielstrebig, diszipliniert und stets hart arbeitend, ist Gvardiol mittlerweile zum Inbegriff eines modernen Abwehrspielers gereift.
Seine Qualitäten
Der Kroate besticht schon jetzt durch eine sehr starke, intelligente Eröffnung im Spielaufbau. Sein starker linker Fuß, seine kognitiven und technischen Möglichkeiten befähigen ihn, Mitspieler auch über weite Strecken passgenau und kreativ im letzten Drittel gefährlich in Szene zu setzen.
Das Innenverteidiger-Talent geht voran, fordert stets den Ball und möchte ihn bespielen. Das bereits schon jetzt vorhandene Selbstvertrauen, die Ausstrahlung und Ruhe am Ball, auch in Druck- und Pressingsituationen, sind außergewöhnlich für einen Abwehrspieler in diesem Alter, der eher wie 29 denn 20 Jahre alt wirkt.
Mit athletischen 1,85 Meter kommt er sehr robust, zweikampf- und kopfballstark daher. Zudem ist Gvardiol sehr schnell und dynamisch. Sein Positionsspiel und seine Spielintelligenz sind schlecht herausragend. Diese Kombination macht es auch für die besten und schnellsten gegnerischen Stürmer, unangenehm gegen ihn zu spielen.
Gelernter Innenverteidiger
Obwohl der Leipziger gelernter Innenverteidiger ist, erlauben ihm diese körperlichen und sportlichen Vorzüge auch, flexibel als offensiver Linksverteidiger zu spielen. Gvardiols Idealposition ist aber wohl die linke Innenverteidigerposition einer hochpressenden Dreierkette, die sein Trainer oft zu spielen pflegt.
Gvardiol bis Sommer 2021 weiter in Zagreb “zu parken” und sich im gewohnten Umfeld mit Spielzeit weiterentwickeln und Erfahrungen sammeln zu lassen, um sich auf höhere Aufgaben in Ruhe vorzubereiten, war ein smarter Schachzug der Sachsen. Die Rasen-Ballsportler können sich auf das, in seinem Jahrgang und auf der spezifischen Position, wohl derzeit beste Innenverteidiger-Talent der Welt freuen.
Linksbeinige (Innen-)Verteidiger mit dieser Qualität sind schließlich rar und zumeist nicht gerade günstig. Das Kroatien-Talent wird Upamecano nicht vergessen, aber verzichtbarer machen. Gut für alle Beteiligten, dass er kein Fischer geworden ist.