Sollte mit der Ukraine im März eigentlich um das WM-Ticket in Katar spielen: Alexander Sintschenko. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Vadim Ghirda/AP/dpa)

Im vergangenen Sommer war Oleksandr Sintschenko noch ein ukrainischer Volksheld. Mit einem Tor und einem Assist führte er den Außenseiter ins EM-Viertelfinale und löste damit riesige Begeisterung für den Fußball aus.

Gerade mal neun Monate später hat der Profi von Manchester City ganz andere Sorgen. Der Angriffskrieg der Russen gegen sein Land macht ihm und seinen Kollegen, die eigentlich die Qualifikation für die WM in Katar erreichen wollten, emotional schwer zu schaffen. «Ich weine nur noch», erzählte Sintschenko jüngst der BBC.

An Fußball und Nationalmannschaft ist derzeit nicht zu denken, das Land befindet sich seit knapp vier Wochen im Ausnahmezustand. «Es ist alles in meinem Kopf. Stellen Sie sich den Ort vor, an dem Sie geboren wurden, an dem Sie aufgewachsen sind, und es ist alles zerstört», sagte Sintschenko. Dass er nicht selbst in der Ukraine für sein Land kämpfe, liege ausschließlich an seiner Tochter – der 25 Jahre alte Fußball-Star lebt mit seiner Familie in England.

Playoff (vorerst) auf Juni vorschoben

Die FIFA hat das für 24. März angesetzte Playoff-Spiel gegen Schottland in Glasgow zunächst auf Juni verschoben und hofft, dass sich die Lage in dem Konflikt bis dahin bessert. Erhebliche Zweifel daran scheinen angebracht, für Terminfragen und Details ist derzeit kein Platz. «Das ist im Vergleich zu allem, was gerade passiert, so klein. Und ob wir am Ende bei der WM in Katar dabei sind oder nicht, das interessiert im Moment niemanden. Auch die Jungs nicht. Alle warten und hoffen, dass dieser Alptraum vorbeigeht», sagte der frühere Bundesliga-Profi Andrej Woronin der «Süddeutschen Zeitung».

Von Verbandsseite hieß es, die Wiederaufnahme des Spielbetriebs und die Klärung der Playoff-Frage werde erst ein Thema, wenn die Waffen ruhen. Wann dies passiert, ist nicht absehbar. Während auch die nationale Liga in der Ukraine ruht, sind Sintschenko, Roman Jaremtschuk und Co. weiter in ihren internationalen Vereinen aktiv und konnten in den vergangenen Wochen auch auf diesem Wege Botschaften senden.

Jaremtschuk von Benfica Lissabon zog unmittelbar vor Kriegsbeginn sein Trikot nach einem Tor aus und zeigte ein schwarzes Shirt mit dem Wappen der Ukraine. Nationalmannschafts-Sturmpartner Andrij Jarmolenko von West Ham United gelangen jüngst in Premier League und Europa League starke Aktionen und Tore, die er für Gesten nutzte. «Es war so emotional für mich wegen der Situation in meinem Land. Es ist so schwer, im Moment an Fußball zu denken. Die russische Armee tötet täglich Menschen in der Ukraine», sagte Jarmolenko.

Verteidiger Jaroslaw Rakizkyj ist am unmittelbaren Geschehen noch näher dran, er spielte bis zum Kriegsbeginn bei Zenit St. Petersburg. «Aufgrund einer schwierigen familiären Situation bat der Spieler den Verein um eine vorzeitige Vertragsauflösung», teilte der Club rund eine Woche nach Beginn der russischen Invasion mit, ohne detaillierter auf die Umstände einzugehen.

Rakizkyj hatte zuvor 2019 mit seinem Wechsel von Schachtjor Donezk zu Zenit polarisiert und in seinem Heimatland heftige Kritik einstecken müssen. Mit Beginn der Invasion positionierte sich Rakizkyj aber deutlich. Er postete ein Foto von der ukrainischen Fahne und schrieb: «Ich bin Ukrainer.» Bei Zenit saß er anschließend auf der Bank, bevor das Kapitel ganz beendet wurde.

Von Patrick Reichardt, dpa

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