Bundestrainer Hansi Flick (r) spricht mit Leroy Sané während des Trainings. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Leroy Sané ist ein Wohlfühl-Kicker. So viel ist gewiss. Und das Wohlfühlen beginnt womöglich beim Schuhwerk.

Als der Bayern-Profi nach seinem nächsten rätselhaften Auftritt beim 1:1 gegen Europameister Italien am Montagvormittag am Trainingsplatz in Herzogenaurach ankommt, packt er seine Stollenschuhe erstmal in den Schuhofen, den der DFB extra vorhält. Nach kurzer Wartezeit schlüpft Sané von den Adiletten in die angewärmten Fußballschuhe. Nun ist auch er bereit zum Training für den Länderspiel-Klassiker gegen England.

Ob Hansi Flick den Münchner Flügelstürmer aber auch am 7. Juni (20.45 Uhr/ZDF) in der heimischen Allianz Arena erneut in die Startelf stellt, erscheint fraglich. Flicks Grundvertrauen in Sanés «enorm gute Qualitäten» hat nach dessen mauem Auftritt in Bologna nicht gelitten. «Wir werden ihn unterstützen», sagte Flick. Unterstützen sei aber nicht immer damit gleichzusetzen, dass er einen Spieler auch aufstelle, ergänzte Flick.

Die gesamte Mannschaft ist in der Pflicht

Zum Start in die Nations League hatte Sané in Italien mal wieder mit einer fahrigen, bisweilen teilnahmslosen Leistung irritiert. Er knüpfte nahtlos an seinen Formverfall in der Rückrunde beim FC Bayern an. Im beengten Presseraum des Stadio Renato Dall’Ara von Bologna war Flick auf die konkrete Nachfrage zur Leistung von Sané ausgewichen. Und doch war seine Replik vielsagend gewesen. «Diejenigen, die mich schon länger kennen, wissen, dass ich hier keinen rausnehme», sagte er: «Für mich ist immer die gesamte Mannschaft in der Pflicht.» Sané hatte er nach 59 Minuten ausgewechselt – ein klares Statement.

Das Rätsel Sané. Es stellt sich wenige Monate vor der WM in Katar wieder einmal. An guten Tagen ist Sané ein Spieler, der mit seinen Dribblings, seinem Tempo, seiner Leichtigkeit eine Mannschaft besser macht. «Leroy kann ein Unterschiedsspieler sein», betonte Flick. An schlechten Tagen wie gegen Italien treibt Sané Trainer, Mitspieler und die Fans zur Verzweiflung. Flick weiß das und fordert: «Er muss die Bereitschaft zeigen, dass er aktiv ist. Wir sind da dran.»

«Er ist ein wichtiger Spieler»

In dieser Saison schien es klick gemacht zu haben bei Sané, als er im Vereins- und Nationaltrikot plötzlich mit herzhaften Aktionen auch in der Defensivarbeit verblüffte, Pfiffe in Applaus verwandelte. Sané zeigte endlich eine Körpersprache, die Entschlossenheit ausdrückte.

«Er ist ein wichtiger Spieler», betont Flick. Sané wiederum will «keine Glamour-Figur» sein, wie er selbst einmal sagte. Aber er ist eben einer, der heraussticht, auch außerhalb des Platzes. Er ist kein Mitläufer. Er polarisiert. Der FC Bayern holte den Ex-Schalker vor zwei Jahren auch deswegen für über 50 Millionen Euro Ablöse und ein Topgehalt von Manchester City zurück in die Bundesliga, weil er in ihm das Potenzial zum Topstar sah. Die Münchner Bosse haben bei Sané inzwischen vieles versucht: streicheln, fordern, kritisieren, schützen. «Es muss auf dem Platz knallen», mahnte nun zum Saisonende Sportvorstand Hasan Salihamidzic. «Potenzial» allein genüge nicht.

«Leroy ist sensibel in manchen Dingen»

Flicks Vorgänger Joachim Löw sortierte Sané kurz vor der WM 2018 im Trainingslager aus. Es sollte ein Denkzettel sein. Bei der EM 2021 spielte Sané auch nur eine Nebenrolle. Mit 26 ist er kein Youngster mehr. Manuel Neuer, sein Kapitän in München und in der Nationalelf, warb zuletzt im Trainingslager in Marbella für Sané. «Leroy ist jemand, der ein emotionaler Typ ist, auch sensibel ist in manchen Dingen», sagte der Torwart: «Man hat auch gesehen, welche Leistungen er im ersten Halbjahr gezeigt hat, das war exzellent.»

Neuer mag Sané darum «kein negatives Jahr» bescheinigen. «Es war – ähnlich wie für den FC Bayern – ein Jahr mit Höhen und Tiefen», sagte Neuer und prophezeite: «Ich bin mir ganz sicher, dass er ein wichtiger Faktor für uns in der Mannschaft sein wird.»

Auch Flick bescheinigt Sané, «über weite Strecken der Saison herausragend gespielt» zu haben. Der Bundestrainer redet viel mit dem Undurchschaubaren, nicht nur über Fußball. «Ich weiß, was für Dinge ihn privat umtreiben.» Ein Wohlfühl-Kicker wie Sané braucht halt mehr als angewärmte Schuhe, um sich auf dem Fußballplatz wohlzufühlen.

Von Klaus Bergmann und Jan Mies, dpa

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