Will bei Hertha noch ein paar Profis von der Gehaltsliste bekommen: Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Soeren Stache/dpa)

War es Spott? Oder doch eher Hilflosigkeit? Fredi Bobic wunderte sich auf jeden Fall. «Die Südländer», so klagte der als cleverer Ein- und Verkäufer gerühmte Geschäftsführer von Hertha BSC, die «schlafen noch».

Seiner Aufgabe, den Berliner XXL-Kader rundzuerneuern, könne er durch das Frühsommer-Phlegma von Spaniern, Italienern und Franzosen noch nicht nachkommen, monierte Bobic. «Du rufst den einen oder anderen Kollegen an und der ist noch im Urlaub, irgendwo am Strand und hat gar keine Lust, über Fußball zu reden», meinte Bobic – und ist mit dieser Sorge nicht alleine.

Die Bundesliga klagt über einen Transferstau. Unabhängig von der Glamour-Personalie Robert Lewandowski und dessen Barcelona-Sehnsucht, die den FC Bayern München durch die Sommerpause begleitet. Die üblichen Mannschaftsfotos werden im Weitwinkelformat aufgenommen. Dutzende Spieler drängen sich bei vielen Clubs dicht an dicht. Zu Saisonbeginn oder spätestens nach Ende des Transferfensters am 1. September werden die Bilder eher anekdotischen Wert haben, viele Profis dann doch bei anderen Vereinen untergekommen sein. Aber zu welchem Preis?

Geduld ist gefragt

«Dass zu diesem Zeitpunkt schon Angebote reinkommen, habe ich nicht erwartet», sagte Sportdirektor Sven Mislintat vom VfB Stuttgart. Auch die Schwaben wollen ihren Kader verkleinern und brauchen Geduld. Im Trainingslager im Allgäu sind sie mit mehr als 30 Spielern. Die Hertha nahm nach Burton-upon-Trent in England gleich 34 Akteure mit, genau so viele wie Lokalrivale Union Berlin nach Österreich, obwohl Geschäftsführer Oliver Ruhnert als exzellenter Frühsommer-Shopper bekannt ist.

«Wenn man sich anguckt, wie der Markt im Moment funktioniert, fehlt zum Beispiel fast das komplette Geld der Engländer. Die geben zwar viel aus, aber nur in ihrem eigenen Kreislauf und kaum extern», meinte Mislintat. In der Bundesliga läuft das Geschäft so nicht. Nationale Transfers spielen sich maximal auf dem Billig-Niveau in untere Ligen ab. Die nach den harten Corona-Zeiten notwendigen Erlöse für ebenso wichtige Neuanschaffungen sind so nicht zu machen. Der Kreislauf kommt noch nicht in Schwung.

«Das ist schon Kohle, die in den anderen Ligen fehlt, um Prozesse in Gang zu setzen und diesen ersten Dominostein auszulösen, der dann Nachfolgetransfers verursacht», sagte Mislintat, der in Sasa Kalajdzic, Borna Sosa und Orel Mangala drei potenzielle Geldbringer zu bieten hat. Konkrete Angebote: Fehlanzeige. Bobic würde Großverdiener wie Krzysztof Piatek, Lucas Tousart oder Deyovaisio Zeefuik abgeben. Potenzielle Interessenten warten ab. Der Preis könnte fallen.

Leihprofis blähen Kader auf

Auch RB Leipzig ist mit einem Riesenkader gestartet, weil Leihprofis zurückkamen. Noch findet Trainer Domenico Tedesco die Situation akzeptabel. «Ein gesunder Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft ist gut. Meiner Meinung reicht es aber vollkommen aus, auf einer Position doppelt besetzt zu sein», sagte Tedesco im Trainingslager. Der personelle Cut auf die Idealgröße von etwa 26 Profis muss bei den Sachsen kommen, wenn die Liga läuft – so die Wunschvorstellung des RB-Coaches. Beim VfL Wolfsburg will der neue Trainer Niko Kovac auch groß aussortieren.

Skurrile Randgeschichten liefert der träge Transfersommer. In Berlin schwemmen diverse Twitter-Nutzer inkognito den Gerüchtemarkt mit aus ihrer Sicht 100 Prozent sicheren News. Mehrere Hertha-Profis wurden so schon Richtung Türkei transferiert, einige Neueinkäufe in Berlin gesichtet. Gestimmt hat davon bislang fast nichts.

Ungewöhnlich geht es auf jeden Fall zu: Bei Bayer Leverkusen könnte Mitchell Weiser ablösefrei gehen, will dies aber laut Medienberichten nur mit finanziellem Abschlag tun. «Natürlich hat er hier einen besseren Vertrag, als er vielleicht in Bremen kriegen würde. Aber er weiß, dass er ablösefrei gehen kann. Also muss er sich entscheiden, zwischen sportlicher Perspektive und Vertrag absitzen», erklärte Geschäftsführer Simon Rolfes im «Kölner Stadt-Anzeiger».

In Hannover klagte der dänische 96-Torwart Martin Hansen über seinen Club. «Sie versuchen, mich hinauszudrängen», sagte der 32-Jährige der dänischen Zeitung «Tipsbladet» und bekam Unterstützung von Ex-Kollegen wie Marvin Ducksch und Marvin Bakalorz. Bleiben wollen, aber gehen sollen: Das Problem gibt es auch auf der ganz großen Bühne. Holland-Star Frenkie de Jong fühlt sich beim FC Barcelona wohl. Doch der Club braucht Geld (auch für Lewandowski) und arbeitet an einem Mega-Transfer zu Manchester United. Ob de Jong mit auf die USA-Tour der Katalanen darf, wird zur Transfer-Gretchen-Frage.

Wegekeln werde man bei der Hertha niemanden, versprach Bobic. Auch Trainer Sandro Schwarz lehnte eine Sonder-Trainingsgruppe für seine Resterampe noch ab. Bobic rechnet eh mit baldiger Aktivität im Transfergeschäft. «Ende Juli merken plötzlich alle, dass die Saison plötzlich losgeht. Dann kommt die große Panik auf», sagte er.

Von Arne Richter, dpa

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