Münchens Leon Goretzka, (l-r), Thomas Müller und Alphonso Davies jubeln nach dem Sieg. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Peter Kneffel/dpa)

Oliver Kahn stellte sich nach einem kurzen Besuch in der Bayern-Kabine vor den Reporterpulk und sprach mit ruhiger Stimme eindringliche Worte, wie man sie an großen Münchner Fußball-Abenden jahrelang von Karl-Heinz Rummenigge oder Uli Hoeneß zu hören bekam.

«International zeigt die Mannschaft, was in ihr steckt. Aber wir sind gut beraten, jetzt nicht gleich zu übertreiben und wieder in Euphorie zu verfallen», sagte der öffentlich zunehmend präsente Vorstandsboss. Kurz nach ihm verschwand der torlose Rückkehrer Robert Lewandowski nach dem 2:0 des FC Bayern gegen seinen FC Barcelona schnellen Schrittes wortlos aus der Allianz Arena Richtung Mannschaftsbus.

Nicht nur Kahn wusste um die große Bedeutung des Sieges, der die Lage in München nach drei Remis im Liga-Alltag und angeblichen Misstönen in der Kabine beruhigte und im Premiumwettbewerb Champions League mit dem optimalen Sechs-Punkte-Start die Weichen fürs Achtelfinale stellte. Kahn war aber auch bewusst, dass der Abend nicht zwangsläufig mit «Super-Bayern»-Rufen der begeisterten Fans enden musste.

Was wäre wohl los gewesen, wenn ein spielstarkes Barça seinen Angstgegner in der ersten Hälfte nicht verschont hätte und so effizient aufgetreten wäre wie die Bayern direkt nach der Pause beim Doppelschlag von Lucas Hernández und Leroy Sané binnen vier Minuten?

«Das nötige Quäntchen Glück gehabt»

«Wir haben in der ersten Halbzeit schon auch das nötige Quäntchen Glück gehabt», gab Kahn zu. Nicht nur er staunte insbesondere über Lewandowski, der in seinem Wohnzimmer Allianz Arena gleich mehrere Chancen ausließ, etwa bei einem freien Volleyschuss: «Normalerweise macht er die.» Und so gab Kahn lieber den Mahner in der Nacht und sogar preis, welche Ansage er in der heiligen Kabine gemacht hatte: «Ich habe zur Mannschaft gesagt, der Sieg ist besonders viel wert, wenn wir jetzt nachziehen. Das heißt: Wir müssen jetzt in Augsburg gewinnen.» Die Bundesligapflicht ruft.

«Großes Spiel, Champions League, Barcelona – dafür spielt man Fußball», sagte der starke Einwechselspieler Leon Goretzka mit leuchtenden Augen. Abgekämpft und teilweise humpelnd wie der am Knie dick bandagierte Dayot Upamecano oder Hernández, der einen Muskelbündelriss im linken Oberschenkel erlitt und mehrere Wochen ausfallen wird, verließen die siegreichen Münchner die Arena – und dazu selbstkritisch. «Wir mussten leiden in der ersten Halbzeit», sagte Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer.

Sané dankt der Abwehr

Torschütze Sané ernannte die Abwehr zum Matchwinner: «Wir Offensive müssen Dankeschön sagen an unsere Defensive.» Nationaltorwart Manuel Neuer hielt mehrmals glänzend, ganz anders als DFB-Rivale Marc-André ter Stegen beim Kopfballtor von Hernández im Fünf-Meter-Raum. Sané rühmte das Innenverteidiger-Duo Hernández und Upamecano: «Sie haben überragend gespielt, so gut wie jeden Zweikampf gewonnen.»

Die Offensivkraft der Bayern ohne klassischen Mittelstürmer à la Lewandowski bleibt derweil ein Thema. «In der ersten Halbzeit haben wir Offensive unserer Defensive nicht wirklich geholfen. Wir haben uns nicht gut frei gelaufen, haben die Bälle nicht gut gehalten und nicht mutig genug gespielt», schilderte Sané. «Die zweite Halbzeit – so spielt man in der Champions League», befand Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Kahn sah plötzlich eine Bayern-Elf «mit einer anderen Power». Trainer Julian Nagelsmann lobte die «Effizienz», die er in der Bundesliga zuletzt vermisste. Für Kapitän Neuer war der nächste Sieg gegen Barça summa summarum eine Willensleistung: «Wir wollten diese drei Punkte einfach mehr als Barcelona.»

Der körperliche Verschleiß mit ersten Verletzten (Coman, Hernández) könnte auch das knifflige Konkurrenz- und Rotationsthema mit unzufriedenen Bankdrückern entschärfen. «Diese ganzen angeblichen Probleme in der Kabine, das ist derart konstruiert, dass mich das echt geärgert hat», echauffierte sich Goretzka. Der Nationalspieler kam gegen Barcelona für den verwarnten Sabitzer rein und machte mächtig Dampf. «Wir verstehen uns alle super in der Mannschaft», versicherte er.

Auch hier hatte der einstige Torwart-Titan Kahn, der die Heim-Weltmeisterschaft 2006 nach einer Zurückstufung als Nummer zwei hinter Jens Lehmann erdulden musste, einen Ratschlag an alle parat: «Wir werden jeden einzelnen Spieler in dieser Saison brauchen. Wichtig ist: Wenn mal der andere spielt, muss man halt mal ins Bett beißen, das respektieren, weitermachen und auf seine Chance lauern.»

Von Klaus Bergmann und Christian Kunz, dpa

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