Am Rande des Champions-League-Finals in Paris ging die Polizei mit Tränengas gegen die Fans vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christophe Ena/AP/dpa)

Für das Zuschauerchaos rund um das Champions-League-Finale im Mai ist neben der Pariser Polizei auch der europäische Fußballverband UEFA mitverantwortlich. Das ist das Ergebnis eines unabhängigen Untersuchungsberichts unter der Leitung von Phil Scraton.

«Unsere umfassende Analyse der Erfahrungen der Fans vor, während und nach dem Champions-League-Finale ist eine Anklage gegen alle beteiligten Behörden: Die UEFA, die Pariser Polizei, die lokalen und zentralen Behörden und die Stadionbesitzer», heißt es in dem Bericht mit dem Titel «Mit Verachtung behandelt». Scraton hatte auch die Aufarbeitung der Hillsborough-Katastrophe 1989 geleitet. Der Bericht, an dem fünf Experten beteiligt waren, stützt sich auf Aussagen von 485 Frauen, Männern und Kindern sowie auf Augenzeugenberichte internationaler Journalisten. 

Menschenleben seien gefährdet gewesen

Demnach habe die UEFA bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung «völlig» versagt. Die anhaltenden und willkürlichen Angriffe der Polizisten sowie der wahllose, rücksichtslose und unprovozierte Einsatz von Tränengas gegen «Männer, Frauen und Kinder, die auf engem Raum eingeschlossen waren, sind rücksichtslos und gefährlich gewesen», heißt es weiter. Menschenleben seien durch ein kollektives, operatives Versagen gefährdet worden. 

Zudem sei es zu «kriminellen Übergriffen» durch lokale Banden gekommen, die zahlreiche Fans auch noch bestohlen haben. Der Bericht kommt zudem zu dem Schluss, dass es eine unzureichende Vorbereitung vor dem Spiel durch die UEFA und die Pariser Agenturen gab sowie unzureichende Vorkehrungen für die Sicherheit der Zuschauer. Nur durch das ruhige Verhalten der Fans hätte es keine Toten gegeben, Tausende, darunter auch Kinder, seien aber nun traumatisiert. 

Beim 1:0-Sieg von Real Madrid gegen den FC Liverpool am 28. Mai war es im Stade de France zu einem Zuschauerchaos gekommen. Der Anpfiff hatte sich um mehr als eine halbe Stunde verzögert, weil viele Fans trotz Tickets nicht ins Stadion kamen. Die Polizei setzte Tränengas ein, mehr als 230 Menschen wurden verletzt.

Eine Untersuchung des französischen Senats im Juli kam auch zu einem vernichtenden Urteil. Es habe eine Verkettung von Funktionsversagen auf allen Ebenen gegeben sowie Versäumnisse bei der Vorbereitung. Die Pariser Polizei hatte ihr Versagen bereits eingeräumt, der Pariser Polizeipräfekt Didier Lallement räumte seinen Posten. Der unabhängige Bericht der UEFA soll im November veröffentlicht werden. Der europäische Fußballverband hatte das Chaos durch das hohe Aufkommen von Fans ohne gültige Tickets erklärt. 

Erinnerungen an die Hillsborough-Katastrophe

Bei vielen Liverpool-Fans hätten die Geschehnisse in Paris Erinnerungen an die Hillsborough-Katastrophe geweckt, als am 15. April 1989 beim Halbfinale des FA Cups zwischen Liverpool und Nottingham Forest 97 Fans ums Leben kamen und mehr als 700 verletzt wurden. «Für die Fans, die die Hillsborough-Katastrophe von 1989 und alles, was danach geschah, überlebten, war Paris retraumatisierend», sagte die an dem aktuellen Bericht beteiligte Autorin Deena Haydon.

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