Andreas Brehme (r) schoss Deutschland per Elfmeter zum WM-Titel 1990. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Martina Hellmann/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa)

Ein Schuss kann ein Fußballer-Leben völlig verändern. Und lebenslang verfolgen. Glücklich machen. Befreien. Druck aufbauen. Belasten. Frag nach bei Mario Götze. Oder bei Andreas Brehme.

Immer wieder und überall wird der gebürtige Hamburger noch auf seinen legendären Elfmeter angesprochen, mit dem er Deutschland am 8. Juli 1990 in Rom in der 85. Minute scheinbar eiskalt zum Weltmeistertitel schoss.

Auch jetzt, kurz vor dem Turnier in Katar, spürt Brehme, der schon lange nicht mehr als Spieler oder Trainer im Fußball-Rampenlicht steht, wieder vermehrt den ewigen Ruhm des Siegtorschützen in einem WM-Finale. «Vor jeder Weltmeisterschaft ist man wieder sehr gefragt und viel unterwegs», sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Helmut Rahn, Gerd Müller, Andreas Brehme, Mario Götze – vier deutsche Torhelden mit Legendenstatus. Der 2003 verstorbene Rahn, «der Boss», zog 1954 aus dem Hintergrund ab und erzielte so das entscheidende 3:2 gegen Ungarn beim legendären «Wunder von Bern». Müller, «der Bomber», der vor einem Jahr starb, erzielte 1974 in Münchner Olympiastadion mit einem typischen Gerd-Müller-Tor im Strafraum aus der Drehung das umjubelte 2:1 gegen die Niederlande. 16 Jahre später folgte bei WM-Titel Nummer drei Brehme, der Beidfüßige.

Brehme würdigt Götzes Finaltor

2014 in Rio war es dann Götze, der Edel-Joker, den Joachim Löw kurz vor der Verlängerung einwechselte und dessen Kunst-Tor zum 1:0 gegen Argentinien in der 113. Minute Brehme so würdigt: «Es war ein Weltklassetor, alleine diese Ballannahme und wie er den Ball dann verwandelt.» Mit der Brust angenommen – und im Fallen mit links ab ins lange Eck. Unhaltbar! Unfassbar schön! Und jetzt ist Götze nach acht Jahren wieder da, nominiert von Bundestrainer Hansi Flick für den Katar-Kader nach fünf Jahren ohne Länderspiel. Mit 30.

Das freut Brehme, den anderen noch lebenden deutschen Final-Siegtorschützen. Als Bundestrainer hätte er genauso entschieden. «Mario Götze bringt in Frankfurt gute Leistungen.» Vielleicht wird Götze nun am 18. Dezember vor 80 000 Zuschauern im Lusail Stadium von Katar sein eigener Nachfolger. Es wäre wahrlich ein Fußball-Märchen.

Goldener WM-Schuss für Brehme keine Last

Rahn war 24 bei seinem goldenen WM-Schuss, Müller 29, Brehme auch. Götze war in Brasilien 22. Ein Glücksmoment, ein ganz früher Karriere-Höhepunkt – und eine Bürde. Eine Last gar? «Das würde ich nicht sagen», antwortet Brehme, der zugleich anmerkt: «Ich finde, seine Berater hätten ihn damals mehr unterstützen und beschützen müssen.»

Brehme sagt, sein größter Moment als Fußballer habe seine Karriere «im positiven Sinne» beeinflusst: «Ich bin Weltmeister geworden. Und ich hatte das Tor geschossen. Das hat zum Beispiel werbemäßig unheimlich viel gebracht.» Kurz vor der WM ist seine Biografie mit dem Titel «Beidfüßig» erschienen. Gewidmet hat er sie seinen Eltern, als «Danksagung», wie er sagt: «Sie haben alles gegeben für mich.» Das Vorwort hat Franz Beckenbauer geschrieben, der Teamchef der Weltmeister-Mannschaft von 1990, der «immer noch nicht weiß, ob der Andy nun ein Linksfuß oder ein Rechtsfuß ist oder einfach doch nur ‚beidfüßig’…»

Mit rechts unten links, so lautete Brehmes Lösung, als er vor 32 Jahren in Rom in der 85. Minute am Elfmeterpunkt die Verantwortung übernahm – fürs Team und für Millionen Fans im frisch wiedervereinigten Deutschland. «Keine Ahnung, warum ich im Finale mit rechts geschossen habe», sagt Brehme heute. Er hatte auch schon Elfmeter mit dem linken Fuß geschossen.

Brehme und Beckenbauer: «Telefonieren fast jeden Tag»

Mit Beckenbauer ist Brehme weiter eng verbunden. «Wir telefonieren fast jeden Tag», verrät er. Es ist keine Trainer-Spieler-Beziehung mehr. Und Brehme, der München als seinen Lebensmittelpunkt bezeichnet, aber auch viele Monate im Jahr in Italien verbringt, ist weiter ein Beckenbauer-Bewunderer: «Franz ist für mich einer der größten Fußballer aller Zeiten – und er ist ein toller Mensch.» Die WM in Katar wird sicherlich auch ein Thema in aktuellen Telefonaten sein. «Ich werde mit Sicherheit die Spiele schauen», sagt Brehme.

Und dabei Ausschau halten nach einem deutschen Außenverteidiger von Weltformat, wie er es war. «Wir müssen in der Nationalmannschaft praktisch ohne linken Verteidiger spielen, so wie uns auch ein echter Mittelstürmer fehlt», lautet seine Zustandsbeschreibung auf zwei Problempositionen im DFB-Team. Seine WM-Hoffnungen verknüpft Brehme darum eher mit Hansi Flick, seinem Ex-Kollegen beim FC Bayern (1986 bis 1988). «Hansi war ein wichtiger Spieler für uns, ein Arbeiter im Mittelfeld. Und so ist er auch als Trainer, ein Arbeiter», lobt Brehme, der selbst als Trainer nicht an seine großen Erfolge als Profi anknüpfen konnte.

Bei Flick sei das anders: «Er macht das richtig gut.» Er erinnert an die sieben Flick-Titel beim FC Bayern. Und auch jetzt mit der Nationalmannschaft habe er Erfolg. Brehme wird bei den deutschen Spielen fest die Daumen drücken: «Ich hoffe, dass sie weit kommen in Katar, dass wir Weltmeister werden.» Rahn, Müller, Brehme, Götze – und…?

Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa

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