Marokkos Trainer Walid Regragui leistet nach dem Abpfiff Aufbauarbeit. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa)

Nach und nach trotteten die marokkanischen Halbfinalverlierer in ihren roten Mannschaftsbus und ließen sich geschafft auf die Sitze fallen.

An das Pflichtspiel um Platz drei an diesem Samstag gegen ebenso enttäuschte Kroaten dachte in diesem Moment wohl keiner der Fußball-Löwen vom Atlas. Und um beim Blick durch die Scheibe in die tief schwarze katarische Nacht schon zufrieden den Stolz einer ganzen Nation fühlen zu können, war die Rückfahrt durch die Wüste vom Al-Bait Stadion wahrscheinlich auch zu kurz. Aber das kommt noch.

Trainer und König stolz

«Ich habe den Spielern gesagt: Ich bin stolz auf sie. Der König ist auch stolz auf sie, das ganze marokkanische Volk ist das», berichtete Nationaltrainer Walid Regragui nach dem 0:2 im Halbfinale gegen Weltmeister Frankreich. Medienberichten zufolge hatte König Mohammed VI. höchstpersönlich angerufen, um zu der historischen Leistung in Katar zu gratulieren. «Meine Spieler haben sich von ihrer besten Seite gezeigt und alles gegeben. Sie sind enttäuscht, sie wollten die Geschichte weiterschreiben», sagte Regragui. «Man kann aber keine Weltmeisterschaft mit Wundern gewinnen.»

Dabei wäre es bei Weitem kein Wunder gewesen, hätten die tapferen Marokkaner, die wie keine andere Mannschaft bei der WM als geschlossene Einheit auftreten, nach Belgien, Kanada, Spanien und Portugal auch die Équipe Tricolore geschlagen. Frankreichs Starspieler Kylian Mbappé tröstete noch auf dem Rasen seinen Pariser Teamkollegen Achraf Hakimi. «Wir haben alles gegeben. Der Traum von einem Team, von einem ganzen Land ist ausgeträumt», sagte Hakimi. «Aber wir müssen stolz auf das sein, was wir getan haben.»

Den Final-Traum hatten Millionen Menschen geteilt – natürlich in Marokko, aber auch in anderen Teilen der arabischen Welt, für die Marokko in den vergangenen WM-Tagen oberflächlich so etwas wie ein Symbol der Einheit geworden war. In europäischen Städten zog es ebenso Tausende auf die Straßen, in Frankreich leben über eine Million Marokkaner. Am Donnerstagmorgen verbreitete sich die traurige Nachricht vom Tod eines 14 Jahre alten Jungen, der in Montpellier von einem Auto erfasst und tödlich verletzt worden war. Vereinzelt kam es zu Ausschreitungen.

Laute Hupkonzerte in Casablanca

In der Wüstenzelt-Arena hatten gut 30.000 marokkanische Fans das erste Halbfinale einer afrikanischen Mannschaft verfolgt. Am Ende jubelte aber Frankreichs Staatsoberhaupt Emmanuel Macron, der von Marokkos König per Telefon beglückwünscht wurde, über den erneuten Final-Einzug der Équipe Tricolore. «Nach einer außerordentlichen Begegnung hat das Glück der Nationalmannschaft nicht zugelächelt», schrieb die marokkanische Zeitung «Yabiladi». Der Verband beschwerte sich am Donnerstag an offizieller Stelle über die Leistung von Schiedsrichter César Arturo Ramos Palazuelos wegen zwei angeblich zu Unrecht verweigerter Elfmeter.

Im verregneten Casablanca ertönten in der Nacht trotz der Niederlage laute Hupkonzerte. Mehrere Fans stimmten auf dem Heimweg Gesänge an. «Wir müssen in Afrika regelmäßig solche Leistungen zeigen, wenn wir wollen, dass Marokko auf der Fußball-Landkarte ist», sagte Regragui. «Wir wollen uns für jede WM qualifizieren, damit es für die Menschen in Zukunft normal ist. Wir haben viel erreicht, wir haben gezeigt, dass wir mit den Top-Teams mithalten können. Wir müssen das regelmäßig zeigen und beweisen, dass es kein Zufall war.»

In den wenigen Stunden bis zum Spiel um Platz drei am Samstag (16.00 Uhr MEZ) muss der Trainer Aufbauarbeit leisten. «Nach einer Niederlage ist es schwierig, für die Zukunft zu planen», sagte Regragui. «Es wird eine mentale Herausforderung, wir haben viele verletzte Spieler. Wir wollen gewinnen.» Der 47-Jährige kündigte an, jenen Profis Einsatzzeit zu verschaffen, die bislang hatten zuschauen müssen. «Wir brauchen einige Zeit, um uns zu erholen, dann werden wir das Spiel angehen. Wir wollen Dritter werden, um unser Land stolz zu machen», sagte der Trainer.

Jan Mies, Miriam Schmidt, Nils Bastek, Sebastian Stiekel, dpa

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