Der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel glaubt nicht an eine Ablösung von Bundestrainer Hansi Flick wegen des deutschen Scheiterns bei der WM in Katar.
«Für mich ist klar, dass Hansi Flick nach so kurzer Zeit nicht entlassen wird, da muss man ihm längerfristig eine Chance geben», sagte der 61-Jährige der Deutschen Presse-Agentur und verwies auf Parallelen zum Vorrunden-Aus 2018 und den damaligen Bundestrainer Joachim Löw. «Dass sich die Spieler für ihn aussprechen, war auch bei Joachim Löw der Fall», sagte Grindel.
Der frühere Bundestags-Abgeordnete war bis zu seinem Rücktritt im Jahr 2019 Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. Im Sommer 2018 hatte der Verband zunächst mit der Krise um das gemeinsame Foto von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor der WM zu kämpfen – und dann mit den Folgen des erstmaligen Scheiterns in einer WM-Vorrunde.
Grindel: «Projekt Zukunft ohne Wirkung geblieben»
«Die Strukturfrage ist die gleiche wie 2018», sagte Grindel über die aktuelle Debatte über notwendige Folgen für die Nationalmannschaft sowie den Verband. «Das sind grundsätzliche Probleme – auf einzelnen Positionen des Teams, das Verhältnis zwischen U-Mannschaften und Nachwuchsleistungszentren, die Entwicklung einer gemeinsamen Spielidee. Das war vor vier Jahren die gleiche Diskussion.»
Das vom DFB nach der WM 2018 für einen Neunanfang entwickelte «Projekt Zukunft» habe «keinerlei Wirkung erzielt», sagte Grindel. «Wenn man dabei der Auffassung ist, dass die gesamte Entwicklung nicht mehr passt, muss es einen Neuanfang geben, und man darf keine gesichtswahrende Entscheidung treffen.» DFB-Präsident Bernd Neuendorf trifft sich in dieser Woche mit Flick, Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff sowie DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke, um über die Konsequenzen aus dem Scheitern zu sprechen.
Die politische Debatte bei der Katar-WM über das FIFA-Verbot der «One Love»-Kapitänsbinde sei nicht mit der Özil-Frage 2018 vergleichbar, sagte Grindel. «Bei Özil war es ein unlösbarer Konflikt, weil Jogi Löw aus sportlichen Gründen an ihm festhalten wollte. Das musste ich akzeptieren, auch wenn das Auswirkungen auf die Mannschaft hatte.» Bei der Binde sei es «eine sportpolitische Entscheidung, die schon weit vorher hätte gelöst werden müssen. Ich persönlich hätte mich schon auf die «One Love»-Binde nicht eingelassen – sondern hätte an der Regenbogenbinde festgehalten», sagte Grindel.