Werders Frauen feiern, trotz Niederlage, mit den Fans nach dem Schlußpfiff. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Carmen Jaspersen/dpa)

20.417 Zuschauer in Bremen sorgten für beeindruckende Bilder und Gänsehaut-Atmosphäre: Frauenfußball erlebt einen Popularitätsschub. Statt in Katar oder in der Kneipe bei der WM mitzufiebern, unterstützen manche Fans die Frauen-Teams ihrer Clubs. Derzeit knacken einige Bundesliga-Vereine ihre Rekorde auf den Tribünen.

«Es ist eine Win-Win-Situation», sagt Helen Breit von der Fan-Interessengemeinschaft «Unsere Kurve» der Deutschen Presse-Agentur. «Fußballfans können mit erheblich mehr fankulturellen Freiräumen supporten, man kann ein Zeichen gegen diese unsägliche WM der Männer setzen und zugleich endlich dem Frauenfußball die Anerkennung zukommen lassen, die er verdient hat.»

Doorsoun: «Haben uns diese Bühne erarbeitet»

Die Ablehnung der Wüsten-WM in Katar, die nun ohnehin ohne die DFB-Männer weitergeht, ist aus Sicht von Nationalspielerin Sara Doorsoun aber nicht der einzige Grund für den Zuspruch. «Natürlich spielt das gerade eine Rolle, dass viele Fans der Männervereine sagen, sie wollen die WM-Spiele nicht schauen und sich gerne unseren attraktiven Fußball angucken», sagte die Abwehrspielerin von Eintracht Frankfurt in einer Medienrunde vor dem Bundesliga-Topspiel des Zweiten beim Tabellenführer VfL Wolfsburg am Samstag (13.00 Uhr/NDR, HR und MagentaSport). Die 31 Jahre alte Ex-Wolfsburgerin fügte hinzu: «Unabhängig vom Katar-Boykott glaube ich, dass wir uns durch die Europameisterschaft diese Bühne erarbeitet und verdient haben.»

Die Spitzenpartie in Wolfsburg wird in der Volkswagen-Arena angepfiffen – statt im deutlich kleineren AOK-Stadion nebenan. Wölfe-Torhüterin Merle Frohms bezeichnete den Stadionwechsel als «Ehre». «Inwieweit der Boykott etwas dazu beiträgt, ist schwer zu sagen», meinte sie. Auch Frohms vermutet insbesondere die EM im Sommer, bei der Deutschland erst im Finale England nach Verlängerung unterlag, als Grund für die gestiegenen Zuschauerzahlen im Frauenfußball. «Es ist schön zu sehen, dass es Normalität geworden ist und bei uns in der Liga die Stadien voller sind, dass mehr Zuschauer kommen und mehr Leute unsere Namen kennen», sagte sie.

Vor der Männer-WM gab es aus vielen Richtungen Aufrufe zum Boykott des Turniers in Katar. Der WM-Gastgeber ist unter anderem wegen der schlechten Menschenrechtslage und der Situation um die Arbeitsmigranten höchst umstritten. Die aktive Werder-Fanszene hatte im letzten Bundesliga-Heimspiel der Männer gegen RB Leipzig (1:2) zur Nichtbeachtung der WM aufgerufen und stattdessen für die Partie der Hanseatinnen gegen Freiburg am vergangenen Wochenende (1:2) geworben. Der Vereinspräsident des 1. FC Köln, Werner Wolf, appellierte an die FC-Unterstützer, die Frauen anzufeuern.

Liga-Bestwert zum Saison-Auftakt

Fan-Vertreterin Breit sieht im auch Männer-WM-bedingten Zuspruch eine langfristige Chance für den Frauenfußball. «Natürlich sind das im Moment hauptsächlich einzelne Aktionen», sagte sie. «Aber eben durch diese Aktionen finden Menschen ihren Weg zum Frauenfußball, den sie vorher vielleicht nicht auf dem Schirm hatten. Und finden Gefallen daran und überlegen, wiederzukommen.»

Der Werder-Fanbeauftragte Jermaine Greene sieht die ungewöhnliche Pause der Männer-Bundesliga wegen der WM ebenfalls als Faktor. Er bekräftigt aber auch: «Unsere aktive Fanszene unterstützt nicht erst seit wenigen Wochen unsere Frauen-Bundesligamannschaft.» Schon im Frühjahr sei ein Großteil der Unterstützer beim Heimspiel gegen Freiburg auf dem vom Weserstadion benachbarten Platz 11 dabei gewesen.

Ähnlich wie bei der Partie der Bremerinnen deutet sich auch in Wolfsburg eine fünfstellige Zuschauerzahl an. Am Donnerstag waren rund 11.000 Eintrittskarten verkauft. Einen Rekord in der höchsten deutschen Spielklasse wird das Spitzenspiel der VfL-Spielerinnen höchstwahrscheinlich nicht knacken. Der Liga-Bestwert war zum Auftakt der laufenden Saison mit 23.200 Fans bei der Partie zwischen Frankfurt und Bayern München erreicht worden.

Einen deutlichen Zuschauerschub durch die WM-Ablehnung nehme der VfL nicht wahr, wie es aus dem Club heißt. Im Oktober lockten die Niedersächsinnen bereits beim 2:1 im Top-Duell gegen den Dauer-Konkurrenten Bayern München 21.297 Menschen in die Arena. Zu dieser Zahl dürfte es dieses Mal nicht kommen. Andererseits: Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass mehr als 20.000 Fans die Frauenmannschaft von Werder Bremen im Weserstadion antreiben?

Felix Schröder und Thomas Eßer, dpa

Von