Hans-Joachim Watzke lief kurz nach dem Schlusspfiff mit einem breiten Sieger-Lächeln in die Kabine. Rund fünf Minuten später kam der Club-Chef von Borussia Dortmund mit einem noch breiteren Lächeln wieder heraus.
Man kann nur vermuten, was im Umkleideraum des BVB gesagt und wie viel gefeiert wurde. Vor den Mikrofonen ließ sich jedenfalls kein Dortmunder wirklich locken. Watzke sprach gar nicht, Kampfansagen an den Dauer-Rivalen FC Bayern München musste man nach dem 2:0 bei Bayer Leverkusen schon zwischen den Zeilen lesen.
«Wir wollen in den Regionen, in denen wir jetzt sind, bleiben und weiter angreifen», sagte Trainer Edin Terzic. Und das war fast schon das Mutigste, was aus dem BVB-Lager zu hören war. Nach drei Siegen im neuen Jahr und drei Unentschieden der Bayern sitzt Dortmund dem Serienmeister mit nur noch drei Zählern Rückstand plötzlich wieder richtig im Nacken.
Test bestanden
Den Charaktertest, zu dem Terzic das Spiel gemacht hatte, weil er es als wegweisend eingestuft hatte, hat das launische BVB-Team bestanden. Doch nach dem Auf und Ab nicht nur in dieser Saison traut so mancher dem Frieden noch nicht. «Macht uns nicht besser als wir sind. Wir haben schon immer noch ein paar Themen», sagte der Trainer und rief kurzerhand die ganze Restsaison zum Charaktertest aus: «Jetzt geht es darum: Sind wir bereit, den nächsten Schritt zu gehen? Machen wir jetzt weniger und müssen wieder was aufholen? Oder bleiben wir mittendrin, indem wir mit dem Fuß auf dem Gaspedal bleiben.»
Die Enttäuschung der beiden letzten Spiele 2022, als Dortmund sich in Schlagdistanz fühlte, dann in Wolfsburg und Mönchengladbach verlor und als Sechster überwinterte, ist nicht vergessen. «Da haben wir uns in einer Woche was kaputt gemacht», sagte Terzic: «Und dann mussten wir uns diese Tabelle 72 Tage lang anschauen.»
Doch inzwischen gibt es auch viele Dinge, die Hoffnung machen. So die Art und Weise der Siege im Jahr 2023. Beim 4:3 gegen Augsburg gewann Dortmund trotz drei verspielter Führungen, beim 2:1 in Mainz durch einen Treffer in der Nachspielzeit, nun mal wieder zu null. «Wir können uns dieses Spiel als Beispiel nehmen», sagte Defensivspieler Emre Can: «Wenn du zweikampfhart bist, wenn jeder für den anderen ackert, kann man viele Spiele zu null gewinnen.» Die Erkenntnis ist gereift: Um den Titel mitspielen kann der BVB nicht mit Glanz und Gloria, sondern nur mit der richtigen Einstellung und defensiver Disziplin.
Adeyemi, Haller und Reus machen Hoffnung
Hoffnung macht aber auch die Situation einzelner Spieler. Wie von Karim Adeyemi, der endlich sein erstes Bundesliga-Tor schoss. Von Sébastian Haller, der nach seiner Hodenkrebs-Erkrankung sein Startelf-Debüt gab. Oder von Kapitän Marco Reus, der nach knapp drei Monaten zu einem fünfminütigen Comeback kam. Der Kader ist wieder fast komplett. Was zu Härtefällen führt. Der zuletzt gesetzte Youssoufa Moukoko, Giovanni Reyna, der in den ersten beiden Spielen jeweils das Siegtor erzielt hatte, oder Donyell Malen blieben dafür 90 Minuten auf der Bank. Mats Hummels kam mit Reus erst fünf Minuten vor Schluss, Mo Dahoud oder Thorgan Hazard standen gar nicht erst im Kader.
«Das war wohl die beste Bank, die Borussia Dortmund je hatte. Da saßen fast nur Nationalspieler», sagte der Trainer: «Ich muss zwar harte Entscheidungen treffen, und das ist nicht einfach. Aber das ist mir lieber als im Oktober, als sich die Mannschaft quasi von alleine aufgestellt hat.»
Auch Sportchef Sebastian Kehl findet es «gut, dass der Trainer so harte Entscheidungen zu treffen hat». Der Sieg sei «außerordentlich wichtig gewesen, weil Union, Freiburg und so weiter auch ihre Spiele gewinnen.» Von den Bayern sprach Kehl in diesem Zusammenhang nicht. Man wolle «vornedran bleiben», sagte Kehl immerhin noch. Die Bayern-Jagd ist wohl doch wieder eröffnet. Auch wenn man das zwischen den Zeilen lesen muss.