Mehr als 600 Millionen Euro gab der FC Chelsea für Transfers in dieser Spielzeit aus. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Mike Egerton/PA Wire/dpa/Archivbild)

Die Rekord-Einkaufstour des FC Chelsea versetzt die europäische Konkurrenz in Staunen – und sorgt für deutliche Kritik. Atemberaubende 121 Millionen Euro bezahlten die Londoner für den 22 Jahre alten argentinischen Weltmeister Enzo Fernández von Benfica Lissabon.

So viel hatte zuvor noch nie ein britischer Fußballclub für einen Spieler ausgegeben.

Rekordsumme schon im Sommer

Damit steigt die Summe der Transferausgaben der Londoner, die in diesem Januar insgesamt acht Spieler geholt haben, auf umgerechnet mehr als 320 Millionen Euro.

Schon im Sommer – nach der Übernahme des Clubs durch ein Konsortium um den US-Geschäftsmann Todd Boehly – hatte Chelsea in der Premier League einen Rekord aufgestellt und mehr als 300 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben. Die mehr als 600 Millionen Euro in dieser Saison sind mehr Geld, als alle Bundesliga-Clubs diese Spielzeit zusammen ausgegeben haben.

Beim nächsten Champions-League-Gegner kommt Chelseas Vorgehen nicht gut an. «Sehr wild» sei das Verhalten der Londoner, kritisierte Borussia Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl beim Pay-TV-Sender Sky. «Geld spielt dort keine Rolle», sagte er schon bevor die Verpflichtung Fernández‘ perfekt war. «Wir müssen unser Geld hier auf eine andere Art und Weise einfach verdienen. Daher sind wir auch nicht in der Lage, solche Transfers umzusetzen.»

Die Chelsea-Methode

Die beispiellose Shoppingoffensive der Blues wirft Fragen auf: Wie lässt sich das mit den finanziellen Spielregeln der Premier League und der UEFA vereinbaren? Warum handelt Chelsea so? Wie riskant ist das?

Nach den Statuten der Premier League darf ein Verein über einen Zeitraum von drei Jahren umgerechnet rund 120 Millionen Euro Verlust machen. Wer diese Summe übersteigt, muss mit Strafen rechnen. Die Europäische Fußball-Union UEFA schreibt vor, dass ein Club – vereinfacht gesagt – über drei Jahre höchstens 60 Millionen Euro mehr ausgeben darf, als er einnimmt. Und das auch nur unter der Voraussetzung, dass der Clubinhaber dafür aufkommt.

Um diese Vorschrift einzuhalten, bedient sich Chelsea eines smarten Tricks. Auffällig sind die ungewöhnlich langen Vertragslaufzeiten der Neuzugänge. Fernández wurde für achteinhalb Jahre verpflichtet. Der Ukrainer Mykhailo Mudryk, dessen Ablösesumme von zunächst 70 Millionen Euro durch Bonuszahlungen auf 100 Millionen Euro steigen könnte, hatte zuvor ebenfalls einen Vertrag unterschrieben, der bis Ende Juni 2031 gültig ist. Der Grund dafür ist, dass die Ausgaben in Chelseas-Büchern so auf acht Jahre verteilt werden können. Damit reduziert der Verein die jährlichen Kosten.

Für Fernández würden also nur etwa 14 Millionen Euro pro Jahr anfallen – wenn überhaupt. Nach Informationen der «Daily Mail» einigte sich Chelsea nach harten Verhandlungen mit Benfica Lissabon auf eine Zahlung in drei Raten über die kommenden zwei Jahre. Ähnliche Abmachungen dürfte es bei anderen Neuzugängen seit vergangenem Sommer geben. Profis wie der Langzeitverletzte Wesley Fofana oder Benoît Badiashile haben ebenfalls dauerhafte Verträge.

Die Kassen bei Chelsea sind voll

Zudem hat Chelsea im vergangenen Jahr namhafte Spieler abgegeben. Profis wie Timo Werner (RB Leipzig), Tammy Abraham (AS Rom), Kurt Zouma (West Ham United) oder zuletzt Jorginho, der zu Liga-Konkurrent Arsenal wechselte, brachten Einnahmen, die sofort verbucht wurden. Der Abschied von Hakim Ziyech, dessen geplanter Wechsel zu PSG an fehlenden Unterlagen scheiterte, wird wohl im Sommer vollzogen. Britische Medien spekulierten kürzlich auch über einen möglichen Abschied des deutschen Nationalspielers Kai Havertz.

Auch die Erfolge der jüngeren Vergangenheit – besonders der Gewinn der Champions League und der Club-Weltmeisterschaft unter Ex-Trainer Thomas Tuchel – spülten Geld in die Chelsea-Kasse. Während Chelsea bei den Zuschauereinnahmen aufgrund der vergleichsweise niedrigen Kapazität des Stadions Stamford Bridge hinter vielen Konkurrenten liegt, kassieren die Blues bei den TV-Geldern kräftig mit.

Im Gegensatz zum ehemaligen Clubbesitzer, dem russischen Milliardär Roman Abramowitsch, hatte der neue Inhaber Todd Boehly durchblicken lassen, dass er lieber die Spieler als den Coach austauschen will. Zwar ersetzte er zunächst Tuchel durch seinen Wunschtrainer Graham Potter, weil der angeblich für eine neue Philosophie im Club steht. Nun aber vollzieht der US-Unternehmer, dem es nicht an Geld mangelt, den ganz großen Umbruch und verjüngt den Chelsea-Kader deutlich.

Sportlich läuft es nicht

Die Chelsea-Methode ist nicht ohne Risiko. Unter Potter blieben die Blues bisher weit hinter den Erwartungen, schieden aus dem FA Cup und dem Ligapokal aus. In der Premier-League-Tabelle, wo sie derzeit mit zehn Punkten Rückstand auf einen Champions-League-Platz nur Zehnter sind, sind sie zum Siegen verdammt. Ein Platz unter den ersten Vier für die erneute Qualifikation zur Königsklasse ist Pflicht, wenn die Bilanz in den kommenden Jahren ausgeglichen bleiben soll. Ansonsten müssen die Transferaktivitäten ab Sommer drastisch reduziert werden. Der Druck auf Potter wächst damit gewaltig.

Den Verantwortlichen in Lissabon kann das alles herzlich egal sein. Bei Benfica freut man sich über ein mehr als lukratives Geschäft. Fernández, der bei Argentiniens WM-Erfolg in Katar als bester junger Spieler ausgezeichnet wurde, war erst im vergangenen Sommer von River Plate geholt worden – für die im Rückblick läppische Summe von rund 11 Millionen Euro. Auch beim Traditionsverein aus Buenos Aires dürften sie einigermaßen zufrieden sein: River Plate soll ein Viertel der Ablösesumme erhalten, immerhin rund 30 Millionen Euro.

Philip Dethlefs, dpa

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