Geschmacklos: Fans des 1. FC Union Berlin präsentierten im Leipziger Stadion drei Hassbanner gegen RB-Sportdirektor Max Eberl. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa)

Die drei Hassbanner gegen Max Eberl im Gästeblock des Leipziger Stadions waren nicht besonders groß. Doch entfalteten sie eine ungeheure Wucht.

Die Anfeindung aus den Reihen der Anhänger des 1. FC Union Berlin gegen den neuen Sportdirektor der Sachsen nach dessen Burn-out-Erkrankung stellt den Profifußball wieder einmal vor die Frage, wie umzugehen ist mit den «Hohlrollern» (RB-Trainer Marco Rose) unter den Fans, die auf den Zuschauerrängen und im Internet jeden Anstand verloren zu haben scheinen.

«Was da in den Fankurven der sogenannten Traditionsklubs abgeht, ist unappetitlich und gehört sich nicht. Dass Menschen im Fußball unter der Gürtellinie beleidigt werden und straffrei davonkommen, ist für mich ein Skandal», sagte Jörg Schmadtke, der seine lange Karriere gerade beendet hat, der «Wolfsburger Allgemeinen Zeitung». «In den Kurven denken einige offenbar, sie könnten machen, was sie wollen.»

Schmadtke: «Solche Entgleisungen dürfen nicht geduldet werden»

Eberl, der vor gut einem Jahr bei Borussia Mönchengladbach aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war und seit dem 1. Dezember bei RB arbeitet, war im Stadion von Schmadtkes Ex-Club 1. FC Köln ähnlich beleidigt worden. «Solche Entgleisungen dürfen nicht geduldet werden und müssen mit aller Schärfe sanktioniert und bestraft werden», forderte Schmadkte. Der langjährige Manager nimmt den Deutschen Fußball-Bund in die Pflicht. In schlechter Erinnerung sind die scharfen Beleidigungen gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp, die einst fast zu einem Spielabbruch geführt hatten.

Der Leipziger Sportchef Eberl ist nach dem Köln-Spiel in die Offensive gegangen. Sein Wechsel zu den Sachsen war in Fan-Kreisen wegen der Ablehnung des RB-Geschäftsmodells in den vergangenen Wochen mehrfach stark und kritisiert worden. «Mich würde interessieren, ob diese Menschen wissen, was die Krankheit Burn-out bedeutet», sagte er. In den sozialen Medien wird über die eindringlichen Aussagen des 49-Jährigen zu dessen Auszeit teils unter Klarnamen gehetzt. Es wirkt inzwischen nicht mehr nur wie ein rechtsfreier Raum – die Liste der Beispiele scheint endlos.

«Wusste gar nicht, dass Familien den Tod zu wünschen, so in Mode geraten ist. Der Trend ist an mir vorbeigegangen…», schrieb Kaiserslauterns Torwart Andreas Luthe nach dem Spiel in der 2. Bundesliga gegen Hannover 96 Ende Januar. Er berichtete von «widerlichen Nachrichten». Immer wieder machen Profispieler auch rassistische Ausfälle öffentlich. Der Aufschrei ist immer groß, die Konsequenzen sind überschaubar.

Der Hass sei kein neues Phänomen, sondern schon immer Teil des Profisports gewesen, sagte Daniel Nölleke vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln der Deutschen Presse-Agentur. Beleidigungen und Drohungen, auch «Hate Speech» genannt, seien gang und gäbe – und zwar unabhängig von den digitalen Entwicklungen. «Das Stadion war schon immer ein Ort, an dem Sportler, Trainer, Funktionäre verbal, aber auch visuell angegriffen und verunglimpft wurden.»

Das Internet sei auch der Platz für Menschen, die sich weniger für den Sport interessierten, sondern den Sport «als Projektionsfläche für ihre oftmals menschenverachtenden Meinungen nutzen», sagte Nölleke. «Ich sehe das im Sport tatsächlich als großes Problem, da auch hier Hass und erschreckenderweise rassistische Narrative an der Tagesordnung sind.»

DFL begrüßt jede Aktion gegen «Hate Speech»

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) weiß um die Problematik – und nimmt immer mehr Hasskommentare im Netz wahr. «Die Auswüchse von Diffamierungen, Hetze und Hass in den digitalen Netzwerken haben eine erschreckende Dimension angenommen. Vor allem im Schutz der Anonymität gibt es oft offensichtlich keine Skrupel mehr», sagte ein Sprecher der DFL. Die Liga begrüße jede Aktion gegen «Hate Speech».

Nach Einschätzung des Fanbündnisses «Unsere Kurve» handelt es sich bei den Hasskommentaren in sozialen Netzwerken nicht um ein fußballspezifisches Problem. Es sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, meinte der Vorstandsvorsitzende Peter Jost. «In der Anonymität des Internets verlieren sich schon seit Jahren Maß, Mitte und gute Kinderstube.» Dabei sind eigentlich Respekt und Toleranz aus Sicht des Fanbündnisses Grundlage des Fußballs und des menschlichen Zusammenlebens.

Verbände und Clubs versuchen sich gegen Häme, Hass und Hetze im Profifußball zu wehren. «Die DFL und die deutschen Proficlubs setzen sich intensiv mit dem Einsatz gegen Diskriminierung auseinander und setzen bereits proaktiv viele Maßnahmen um», hieß es vonseiten der DFL. Im vergangenen Jahr wurde bei einem Fachtag von DFL und DFB zum Thema «Hate Speech» und Diskriminierung in den sozialen Medien diskutiert, um den Clubs Hilfestellungen für den Fall von Diskriminierungen durch Sprache und Hasskommentare zu geben – auf Social-Media-Kanälen, aber auch auf und neben dem Fußballplatz.

Doch trotz aller Maßnahmen befürchtet Nölleke, dass sich der Hass gegenüber Sportlern, Trainern und Funktionären in den kommenden Jahren verstärken könnte. «Wenn wir darüber reden, was die Logik von Plattformen im Internet auszeichnet, merken wir schon, dass Hass dort typischer Bestandteil ist.» Es sei dennoch wichtig, dass Gegeninitiativen wie von der DFL gestartet würden. Außerdem gebe es auch viele Menschen auf den sozialen Plattformen, die sich eindeutig gegen Hasskommentare positionierten. «Am wirkungsvollsten ist es aber sicher, wenn sich sporadisch auch die Betroffenen selbst einbringen und einfach mal konkret auf einen Hasskommentar reagieren.»

Christian Johner, dpa

Von