Almuth Schult selbst wird bei der anstehenden WM in Australien und Neuseeland nicht dabei sein. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Swen Pförtner/dpa)

Der Fußball-Weltverband FIFA hat mal wieder kräftig daneben gelangt, findet Almuth Schult, die meinungsstarke deutsche Torhüterin.

Dass eine Tourismusbehörde aus Saudi-Arabien als Sponsor bei der in diesem Sommer stattfindenden Frauenfußball-WM werben soll, ist für Schult eine Form von Sportswashing: der Versuch, mittels Investitionen in den Sport das eigene Image aufzubessern. Und abzulenken von massiven Menschenrechtsverletzungen, wie sie Kritiker Saudi-Arabien vorwerfen. «Für diese Werte stehen viele in unserer Sportart nicht», sagt die 32-jährige Schult der Deutschen Presse-Agentur.

Offiziell bestätigt ist der Deal noch nicht, Fragen der dpa an den Weltverband und die betreffende Tourismusbehörde «Visit Saudi» blieben unbeantwortet. Der Ärger ist aber schon jetzt groß – gerade bei den WM-Gastgeberländern Australien und Neuseeland.

Klare Kante von allen Seiten

Man sei «schockiert und enttäuscht», teilte der neuseeländische Verband bereits Anfang Februar mit, schließlich habe die FIFA wegen des unliebsamen Sponsors keinen Kontakt mit dem heimischen WM-Komitee aufgenommen. Australiens Verband gab eine Erklärung heraus, in der die Vielfalt der Liebe hervorgehoben wird. Ein Sponsor aus Saudi-Arabien passt da schlecht – in dem Wüstenstaat drohen Homosexuellen harte Strafen, bis hin zum Tod.

Ihre Meinung haben sich einige Fußballerinnen deshalb längst gebildet. Vor Schult äußerten bereits DFB-Kapitänin Alexandra Popp («kein optimaler Sponsor») und US-Star Alex Morgan («bizarr») Zweifel. «Gerade Frauen sind dort in der Gesellschaft nicht gleichwertig und dann ist dieses Projekt einfach nur unglaubwürdig», sagt Schult.

«Das Geld wollen vermutlich die meisten Spielerinnen für das Turnier nicht annehmen und es sollte allgemein nicht egal sein, woher Investitionen kommen.» Bislang habe man «noch nicht wirklich diskutiert, was wir unternehmen können», gesteht sie. «Aber für den Fall, dass das Sponsoring bestätigt wird, kann ich mir gut vorstellen, dass Protest geäußert wird.»

Kopfbälle statt Kopftücher?

Das Thema hat allerdings auch eine zweite Ebene, wie Guido Steinberg (54) anmerkt. Der Islamwissenschaftler arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Saudi-Arabien hat er erst vor zwei Wochen wieder besucht. In einem Hotel unterhielt sich Steinberg mit Jugendspielern von Al-Nassr, dem Club, der inzwischen den fünffachen Weltfußballer Cristiano Ronaldo beschäftigt. Was Steinberg wesentlich spannender fand: dass im gleichen Hotel auch ein Team von Al-Nassrs Rivale Al-Hilal untergebracht war – genauer: ein Jugendteam, bestehend nur aus Fußballerinnen. «Als ich 1997 das erste Mal in Saudi-Arabien war, wären Fußball spielende Mädchen unvorstellbar gewesen», erklärt Steinberg.

Auf wie neben dem Platz staunen Expertinnen und Experten über die neuen Freiheiten, die das Land gewährt. Frauen dürfen seit 2018 Auto fahren, Stadien, Kinos oder Konzerte besuchen. Selbst die Pflicht zum Tragen eines Kopftuches ist gefallen – Fortschritte, die gewaltig anmuten. «Das zeigt, was sich geändert hat und dass sich die Saudis offenbar schneller bewegen, als wir meinen», sagt Steinberg.

Repression weiter an der Tagesordnung

Doch der Wandel hat seinen Preis. Größerer gesellschaftlicher Freiheit steht andauernde politische Repression gegenüber, beklagen Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International. «Die autoritäre Wende war sehr brutal – andererseits gibt es eine neue Freiheit für die Frau», fasst Steinberg die Politik von Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman zusammen.

Die Brutalität, wie sie Amnesty aufzeigt: 81 Hinrichtungen im März des vergangenen Jahres – an einem Tag. Es gebe noch viele prominente Fälle von Repression, sagt Steinberg. Die nicht ins Bild eines Landes passen, das sich modern und fortschrittlich geben will – und dafür plötzlich sogar auf Frauenfußball setzt. Steinberg meint: «Saudi-Arabien will der gesamten Welt zeigen, dass die bisherige Kritik am Geschlechterverhältnis jeglicher Grundlage entbehrt.»

Fragiler Fortschritt

Dass daraus die nächsten Fortschritte folgen, bezweifelt der Islamwissenschaftler. «Es gibt weitere Reformen in Recht und Justiz, die noch nicht abgeschlossen sind. Bei den sozialen Reformen hingegen – und da auch den Frauen – sieht es im Moment so aus, als sei ein Plateau erreicht.» Schult fürchtet gar, dass Freiheiten einkassiert werden könnten, sollte die Männer-WM 2030 – größtes sportpolitisches Ziel bin Salmans – in Saudi-Arabien stattfinden. «Leider gibt es keine Zusicherung, dass sich nicht nach der möglichen Vergabe der Männer-WM 2030 alles wieder ins Negative umkehrt», sagt sie.

Als Negativ-Beispiel dient Katar. Dort baute die deutsche Trainerin Monika Staab (64) 2013/2014 neben Mädchenteams eine Nationalelf auf. Doch nach dem Ende ihres Engagements verlief sich das Thema im Wüstensand. Seit 2021 trainiert sie die saudischen Nationalspielerinnen. Islamwissenschaftler Steinberg meint: «Dass ein Land wie Saudi-Arabien für Frauenfußball wirbt, birgt natürlich eine gewisse Ironie – es zeigt aber auch: Saudi-Arabien hat sich massiv geändert.» Aus welchen Gründen auch immer.

Felix Schröder und David Joram, dpa

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