Der FC Bayern München hat auch am Freitagmorgen zunächst nicht auf die Medienberichte über eine sofortige Trennung von Trainer Julian Nagelsmann reagiert.
Es gab weiterhin keine offiziellen Antworten auf Anfragen beim deutschen Fußball-Rekordmeister, ebenso nicht zum designierten Nachfolger Thomas Tuchel. Der Grund könnte sein, dass die Führung um den Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic zunächst mit Nagelsmann ein Gespräch führen wollte, auch um die Form zu wahren.
Der Verein war offensichtlich auch davon überrascht worden, dass die spektakuläre Trainer-Entscheidung am späten Donnerstagabend über externe Kanäle publik geworden war. Der international gut vernetzte Transferexperte Fabrizio Romano hatte zuerst berichtet, dass die Münchner eine Entlassung von Nagelsmann in Erwägung ziehen. Später meldete das die «Bild»-Zeitung als fix.
Tuchel soll Nagelsmann in München beerben
Die Nachfolge des 35-jährigen Nagelsmann mit Vertrag bis zum Sommer 2026 soll der derzeit vereinslose Tuchel antreten. Der 49-Jährige war in dieser Spielzeit beim FC Chelsea entlassen worden, mit dem er 2021 die Champions League gewonnen hatte. 2020 unterlag der ehemalige Bundesliga-Trainer des FSV Mainz 05 und von Borussia Dortmund mit Paris Saint-Germain im Finale der Königsklasse. Pikant wäre, dass Tuchel die Bayern ausgerechnet im Topspiel gegen den BVB am Samstag kommender Woche in München erstmals coachen könnte.
Der Zeitpunkt des Trainerwechsels beim Rekordmeister kommt überraschend, begründet sich aber offenbar in der aktuellen Gesamtkonstellation. Die Bayern-Bosse erkennen demnach trotz eines top besetzten Kaders keine nachhaltige sportliche Bewegung nach vorne unter Nagelsmann. Sie sehen die Saisonziele gefährdet. In allen drei Wettbewerben – Bundesliga, Champions League, DFB-Pokal – ist der Titelgwinn noch möglich.
Die ständigen Schwankungen zwischen Topleistungen in der Champions League wie gegen Paris Saint-Germain und sich immer wiederholenden Nachlässigkeiten in der Bundesliga werden dem Trainer angelastet. Die Bayern waren mit neun Punkten Vorsprung auf Dortmund in die WM-Pause gegangen, vor dem anstehenden direkten Duell nach der Länderspielpause liegen sie einen Punkt zurück. Nach dem 1:2 bei Bayer Leverkusen hatte Sportvorstand Hasan Salihamidzic seinen Unmut geäußert: «Das ist nicht das, was Bayern bedeutet.» Er zählte eine ganze Mängelliste auf und stellte sogar die Mentalitätsfrage. Um Nagelsmann gab es zudem zu viele Nebenschauplätze.
Bayern-Profis werden vom Nagelsmann-Aus überrascht
Trainerwechsel sind immer auch eine Frage der Alternative. Tuchel ist auf dem Markt, aber international begehrt. Er traut sich den Einstieg in der entscheidenden Saisonphase dem Vernehmen nach zu. Tuchel war übrigens schon einmal ein heißer Kandidat in München. Im Frühjahr 2018 zögerte die damalige Bayern-Führung aber zu lange, weil der damalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß zu lange hoffte, dass er Jupp Heynckes doch noch zum Weitermachen als Trainer überreden könnte.
Am Ende kam Niko Kovac, der trotz des Gewinns von Meisterschaft und DFB-Pokal im zweiten Amtsjahr vorzeitig gehen musste. Gleiches wiederholt sich nun beim letztjährigen Meistercoach Nagelsmann.
Die Meldung vom angeblichen Nagelsmann-Aus überraschte wohl auch die Profis des FC Bayern. «Das habe ich nicht gewusst. Ich bin ein bisschen überrascht. Ich möchte mich bei Trainer Nagelsmann bedanken, denn er war es, der mich bei Bayern haben wollte, ebenso wie die Clubführung», sagte der von Manchester City ausgeliehene Außenverteidiger João Cancelo beim TV-Sender Sport TV nach dem 4:0 mit Portugal gegen Liechtenstein. «Das hat mich überrumpelt. Ich wünsche ihm alles Glück der Welt. Wenn ich ankomme, werde ich versuchen, mich so gut wie möglich in das Konzept des neuen Trainers einzufügen», kommentierte Cancelo.