Eventuell wird auch DFB-Sportdirektor Rudi Völler in das schwierige Werben um Jungprofis eingebunden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Arne Dedert/dpa)

Ob Rudi Völler Rührei mag? Nach dem Ausflug des damaligen U21-Erfolgstrainers Stefan Kuntz ins Elternhaus von Lukas und Felix Nmecha sind die Kochkünste von Papa Nmecha die launige Anekdote.

Und sie wird immer wieder gerne erzählt, schließlich endet sie damit, dass sich inzwischen beide Nmechas für die deutsche statt die englische Fußball-Nationalmannschaft entschieden haben. Das ist aber längst nicht bei jedem Nachwuchstalent mit ausländischen Wurzeln der Fall – und da kommt Völler ins Spiel.

Gegebenenfalls werde neben Bundestrainer Hansi Flick auch der neue DFB-Sportdirektor mit eingebunden in das schwierige Werben um Jungprofis, sagte Kuntz-Nachfolger Antonio Di Salvo zu Beginn dieser Länderspielphase, in welcher der Schmerz des Deutschen Fußball-Bundes in dieser Frage sichtbar wurde. «Das ist ein wichtiges Thema. Wir wollen noch früher an die Spieler ran und schauen, dass wir mit ihnen sprechen, zu den Eltern und Beratern eine Bindung schaffen», sagte Di Salvo.

Abwanderungsproblem?

Der 22-jährige Josip Stanisic vom FC Bayern saß am Wochenende auf der kroatischen Bank, der 21 Jahre alte Lazar Samardzic wurde im Spiel der Serben eingewechselt. Beide haben sich trotz der großen Bemühungen der Verantwortlichen gegen den DFB entschieden. Weitere Beispiele sind Malik Tillman (20/USA), Ismail Jakobs (23/Senegal), Salih Özcan (25/Türkei), Ransford Yeboah Königsdörffer (21) und Stephan Ambrosius (24/beide Ghana). Ist das Nachwuchsproblem in Deutschland auch ein Abwanderungsproblem?

Einen großen Einfluss hätten immer der familiäre Hintergrund und die Wurzeln, sagte Völler. «Es ist eine sehr private und persönliche Entscheidung.» In der Vergangenheit habe auch der DFB von solchen Entscheidungen profitiert. Die leuchtenden Beispiele sind unter anderem auch die Rio-Weltmeister Miroslav Klose und Mesut Özil. Der große Hoffnungsträger und Bayern-Star Jamal Musiala, der Flick aktuell verletzt fehlt, hatte sich aktiv gegen eine Karriere im englischen Nationaltrikot entschieden.

«Es wird immer passieren, also überhaupt kein Problem», sagte Völler. Die beiden Flick-Neulinge Josha Vagnoman (22) und Malick Thiaw (21) hätten auch für die Elfenbeinküste beziehungsweise Finnland spielen können. Der in Österreich geborene Bayern-Spieler Paul Wanner (17) habe nach Gesprächen mit ihm, dem Vater sowie dem Berater zuletzt signalisiert, «er möchte den Weg mit dem DFB so weitergehen, ohne endgültig eine Entscheidung zu treffen», sagte Di Salvo, dessen Auswahl am Dienstag (18.00 Uhr) in Rumänien spielt. Wanner gehört aktuell zum Kader der deutschen U18-Nationalelf.

Perspektive des Spielers zählt

Es zähle immer die Perspektive des Spielers, «was er fühlt und was er machen möchte», sagte Di Salvo. Dabei sei enttäuschend, wenn der DFB sich um Spieler bemühe, es Absprachen gebe, und die Entscheidung dann doch für ein anderes Land falle. «Dann tut das schon weh, weil man eine Bindung und Vertrauen aufgebaut hat», sagte der 43-Jährige. «Manchmal sind einem auch die Hände gebunden. Vor allem, wenn Nationen, auch kleinere Nationen, die Karte A-Nationalmannschaft spielen.»

Zwar demonstrierten Flick, Völler und Di Salvo zuletzt eine enge Verbundenheit der A- und der U21-Auswahl. In Frankfurt/Main wurde gemeinsam trainiert, Flicks Erneuerungskurs nach dem WM-Debakel macht den Jungprofis Hoffnung auf eine Teilnahme an der Heim-EM 2024. Naturgemäß ist der Weg in die A-Nationalmannschaft aber in Deutschland noch deutlich schwieriger als in kleineren Fußball-Nationen. Möglicherweise hat das den Verband auch zu bequem gemacht.

«Die türkische Nationalmannschaft hat lange vor meiner Zeit Europabüros gehabt, dort waren Scouts, die sich um die Spieler gekümmert haben, die über Europa verteilt waren», berichtete Kuntz, der inzwischen die türkische A-Auswahl trainiert. «Es gibt sehr viele solcher Talente, die aktuell 17, 18, 19 Jahre alt sind, in Europa und auch in Deutschland.» Wer familiäre Wurzeln in mehreren Ländern hat, darf sich als Jugendlicher frei entscheiden.

Nmechas entscheiden sich für Deutschland

Vor ein paar Jahren zählten auch Lukas (24) und Felix (22) Nmecha dazu. Letzterer hat sogar einen Doppelwechsel hinter sich, der Wolfsburger lief zunächst für die deutsche U18-Auswahl auf, bestritt dann Spiele für die U18 und U19 der Engländer – und wechselte wieder in den DFB-Einzugsbereich. Nach dem Debüt für eine A-Auswahl ist ein Verbandswechsel deutlich schwieriger, wenn auch nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren völlig ausgeschlossen.

Bruder Lukas war unter Kuntz 2021 U21-Europameister geworden. «Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich wirklich will. Das war die richtige Entscheidung, und die ist auch endgültig», sagte er einst. «Der Trainer war bei mir zu Hause und hat von dem Teamgeist erzählt. Er hat mich überzeugt.» Papa Nmecha bereitete währenddessen Rührei zu, eines der besten, die er je gegessen habe, erzählte Kuntz später.

Jan Mies, Miriam Schmidt und Christian Kunz , dpa

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