Glaubt an den Titel für den FC Bayern: Oliver Kahn. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marcus Brandt/dpa)

Nach dem Arbeitssieg beim Lieblingsgegner von der Weser wurde es in der Bayern-Kabine ungewöhnlich laut. «Wir haben gejubelt, wir haben uns gefreut, der Trainer hat eine gute Ansprache gehalten, wir haben uns gegenseitig gepusht.»

«Das war schön», sagte Nationalspieler Serge Gnabry. Besonderer Jubel nach einem 2:1 (0:0) beim Aufsteiger Werder Bremen – allein das zeigt, wie groß der Druck und wie gering die Ansprüche bei den Münchnern inzwischen sind.

In den vergangenen zehn Jahren war der Gewinn der deutschen Meisterschaft meist nur die lästige Pflicht, gemessen wurden erfolgreiche Spielzeiten am Abschneiden in der Champions League. Doch in dieser Saison ist alles anders. Nach dem Doppel-Aus im DFB-Pokal und in der europäischen Königsklasse wird selbst der elfte nationale Titel in Serie nicht mehr als Selbstverständlichkeit angesehen. Stattdessen wäre die deutsche Meisterschaft für den angezählten Vorstandsboss Oliver Kahn sogar «eine große Leistung», wie der frühere Torwart-Titan im «Aktuellen Sportstudio» des ZDF sagte.

«Über die Ziellinie bringen»

Eine «große Leistung»? Es sind schon erstaunliche Töne, die da aus dem Bayern-Kosmos zu vernehmen sind. Doch im Schlussspurt einer komplizierten und schon jetzt enttäuschenden Saison geht es nur noch darum, den Vorsprung auf Borussia Dortmund ins Ziel zu bringen. «Wir sind jetzt am Ende der Saison, da werden keine neuen Sachen erfunden, wir werden keinen neuen Stil erfinden, wir werden keine neue Grundordnung erfinden», sagte Bayern-Coach Thomas Tuchel. «Das kleine Pflänzchen, das wir uns hier und da holen, das pflegen wir jetzt die Woche und das machen wir Schritt für Schritt», sagte der Nachfolger von Julian Nagelsmann.

Über den im März überraschend geschassten Coach wollte Kahn nicht mehr viele Worte verlieren. Er stelle sich jetzt nicht hin und «diskreditiere irgendeinen Trainer», sagte Kahn lediglich. Ansonsten soll der Fokus ausschließlich den noch ausstehenden drei Partien daheim gegen den FC Schalke 04 und RB Leipzig sowie zum Abschluss beim 1. FC Köln gelten. «Für mich zählen nur die letzten drei Spieltage. Ich gehe davon aus, dass wir alle dieses drei Spiele gewinnen müssen. Darauf konzentriere ich mich.»

Tuchel, der von der Wucht der Probleme an der Säbener Straße offenbar auch überrascht wurde, sieht es genauso. «Jetzt geht es nur noch drum, dass wir es über die Ziellinie bringen», sagte der 49-Jährige. Taktische Feinheiten, Weiterentwicklung des Teams – alles kein Thema im Moment. Augen zu und durch bis zum Titel lautet das Motto bei den Bayern. Alles andere soll danach angegangen werden.

Gnabry und Sané treffen wieder: «Wichtig für uns als Truppe»

Immerhin scheinen zwei Nationalspieler rechtzeitig zur entscheidenden Saisonphase ihr Formtief hinter sich zu lassen. Serge Gnabry und Leroy Sané, mehrmals in dieser Saison stark kritisiert und hier und da bereits als Verkaufskandidaten im Sommer gehandelt, sorgten in Bremen mit ihren beiden Toren (62. Minute, 72.) für den Sieg. Der Bremer Anschlusstreffer durch ein Traumtor von Niklas Schmidt (86.) kam für die aufopferungsvoll kämpfenden Gastgeber zu spät.

«Jedes Tor zählt im Moment fürs Selbstvertrauen, für die Mannschaft und für die Siege», sagte Gnabry. Der Angreifer stand zu Beginn des Jahres am Pranger, weil er an einem freien Tag zur Fashion Week nach Paris geflogen war. Doch mit seinen beiden Treffern zuletzt beim mühsamen 2:0 gegen Hertha BSC und nun beim glanzlosen 2:1 in Bremen bereitete der Nationalstürmer zweimal für sein Team den Weg.

Was ihm auch ein Lob von Sportvorstand Hasan Salihamidzic einbrachte. «Er hat genau das gemacht, was er machen muss. Richtig gut. Er hat ein gutes Spiel gemacht», sagte Salihamidzic nach dem 27. Bayern-Sieg in Serie gegen Bremen – was Bundesligarekord bedeutet. «Es ist wichtig für ihn, weil er ein Spieler ist, der Tore machen kann. Das hat er jetzt zweimal hintereinander gemacht. Das ist wichtig für ihn, für sein Selbstvertrauen. Und auch für uns als Truppe», sagte Salihamidzic.

Gleiches gilt für Sané. Der hoch veranlagte Flügelflitzer ist auch in seiner dritten Saison bei den Bayern noch nicht richtig angekommen. Auch in Bremen saß er, wie auch Thomas Müller, anfangs nur auf der Bank. Doch als er nach etwas mehr als einer Stunde eingewechselt wurde, belebte er die Aktionen der Gäste nachhaltig und erzielte ein schönes Tor. «Ich bin froh, dass Leroy getroffen hat. Er hat zuletzt ein paar Dinger liegen lassen», lobte Tuchel den Nationalspieler.

Lars Reinefeld und Jann Philip Gronenberg, dpa

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