Trainer Luciano Spalletti will Italiens Nationalmannschaft zu neuem Ruhm verhelfen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Alessandro La Rocca/LaPresse/AP/dpa)

Luciano Spalletti verteilte gleich Streicheleinheiten für die italienische Fußball-Seele. Der neue Nationaltrainer schwärmte von der «Ehre», das azurblaue Trikot zu tragen, mit diesem wolle er «Geschichte schreiben».

Doch schöne Worte allein helfen Italiens Nationalteam nicht: Nach dem Chaos-Abgang von Roberto Mancini muss Spalletti in der EM-Qualifikation sofort liefern – sonst droht nach zwei verpassten WM-Turnieren das nächste Zittern. Dass es am Samstag (20.45 Uhr/DAZN) in Skopje gegen Nordmazedonien geht, just jenen vermeintlichen Fußball-Zwerg, der den Italienern 2022 in den WM-Quali-Playoffs das Ticket für Katar vermieste, sorgt für zusätzliche Brisanz bei Spallettis Debüt.

Spallettis Kindheitserinnerungen

Bevor der 64-Jährige seine Nationalspieler in dieser Woche erstmals versammelte, erzählte er eine Geschichte aus seiner Kindheit, konkret vom «Jahrhundertspiel» Italiens gegen Deutschland im WM-Halbfinale 1970. Nach dem 4:3 der Azzurri nach Verlängerung bat der damals elfjährige Luciano seine Mutter, ihm eine italienische Flagge zu nähen, «so groß wie möglich», um den Sieg zu feiern. Diese Flagge wolle er nun mitnehmen, wenn er erstmals auf der italienischen Bank Platz nimmt, um auch die Kinder von heute träumen zu lassen.

Dass es in Skopje nicht um WM-Final-Glorien geht, sondern zunächst einmal ganz profan um Punkte in der Qualifikation für die Euro 2024 in Deutschland, das weiß auch Spalletti. Und trotzdem packt er seine Fußballer bei der Ehre. «Das hier ist kein gewöhnliches Trikot», stellte der Coach klar. Das blaue Leibchen, die maglia azzurra, müsse wie eine zweite Haut sein. «Wir müssen das Glück herausschreien, dieses Trikot tragen zu dürfen!»

Dies kann als Seitenhieb verstanden werden auf seinen Vorgänger Mancini, der das Team im Sommer völlig überraschend verließ, um die Auswahl Saudi-Arabiens zu übernehmen. Für die stolzen Italiener ist der Europameister-Coach von 2021 zum geldgeilen Verräter geworden. «Dieses neue Italien verdient besondere Zuneigung, weil es in einer Sommernacht ohne Skrupel abserviert wurde wie ein Hund an der Autobahn», schrieb die «Gazzetta dello Sport» voller Bitterkeit gegenüber dem Europameister-Coach von 2021.

Torwart-Legende steht an Spallettis Seite

Nun soll es also Spalletti richten, der in der vorigen Saison den SSC Neapel zum ersten Meistertitel seit drei Jahrzehnten geführt hatte und danach eigentlich ein Jahr Pause machen wollte. Dem Ruf des Verbandes konnte er aber dann nicht widerstehen. «Vielleicht bin ich nicht der bestmögliche Trainer für die Nationalmannschaft», kokettierte er und versprach zugleich: «Aber ich werde ganz sicher der bestmögliche Spalletti sein.» 

Ihm zur Seite steht künftig Gianluigi Buffon, der nach dem Ende seiner aktiven Karriere Delegationsleiter wurde. Gleich bei seinen ersten öffentlichen Auftritten flogen Gigi wieder die italienischen Fußball-Herzen zu. «Eines der Monumente unserer Geschichte kehrt endlich nach Hause zurück», schwärmte Verbands-Präsident Gabriele Gravina. Der 45 Jahre alte Buffon kann es kaum erwarten, für die Azzurri am Spielfeldrand zu stehen. «Es ist klar, dass ich nichts anderes als Leidenschaft und starke Emotionen verspüren kann», sagte er.

Ein Sieg in Nordmazedonien wäre für Italien nach drei Punkten aus zwei Spielen in der Quali nun «fundamental wichtig», wie Spalletti sagte, auch um die Dämonen der Vergangenheit zu besiegen. Das 0:1 gegen jenen Gegner in den Playoffs zur WM 2022 markierte den Tiefpunkt der Ära Mancini, voller Schrecken erinnern Italiens Zeitungen an den «Albtraum von Palermo». Buffon, der damals nicht dabei war, sagte dennoch: «Wir wollen nicht mehr an die Vergangenheit, sondern an die Gegenwart und an die Zukunft denken.»

Von Manuel Schwarz und Miriam Schmidt, dpa

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