Läuft Steffen Baumgarts Zeit in Köln bald ab oder bleibt er noch lange Coach der Kölner? (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Thissen/dpa)

In den vergangenen Wochen war Steffen Baumgart spürbar genervt. Wutausbrüche mit hochrotem Kopf am Spielfeldrand, die vom Kopf gerissene Schiebermütze oder Kraftausdrücke auch in Interviews zeugten von der Unzufriedenheit, aber auch der ungebrochenen Energie des Trainers des 1. FC Köln. Der nach eigener Auskunft sowieso niemand ist, «der mit seinen Gefühlen hinterm Berg hält». Weswegen er kürzlich auch schon mal feststellte, dass man sich «in einer absolut beschissenen Situation» befinde.

Um seinen Job muss Baumgart sich freilich noch nicht sorgen. Seit Geschäftsführer Christian Keller ihm öffentlich die «Note 1» für dessen Arbeit ausstellte und versicherte: «Wir schaffen den Klassenerhalt mit Steffen Baumgart», wurde noch kein weiteres Pflichtspiel absolviert. Und selbst eine noch so hohe Niederlage am Freitag (20.30 Uhr/DAZN) gegen den Serienmeister FC Bayern München dürfte dieses Vertrauen nicht erschüttern. «Die Situation der Punkte ist unangenehm, die Situation der Zusammenarbeit eher weniger, denn da sind wir gut dabei», sagte Baumgart zu Sky: «Es ist gut zu wissen, dass die Leute Vertrauen haben und ich hoffe auch, dass ich das zurückzahlen kann.» 

Baumgart und die Union-DNA

Trotzdem ist der Wind rauer geworden am Geißbockheim und Baumgart nicht mehr für jeden Beobachter unantastbar. Nach dem Bayern-Spiel wird er liefern müssen, wenn die letzten fünf Gegner der Hinrunde Darmstadt, Mainz, Freiburg, Union Berlin und Heidenheim heißen. Und wie schnell es in diesem Geschäft gehen kann, hat Baumgart quasi schon aus nächster Nähe erlebt. Denn bei seinem Herzensclub Union Berlin musste Urs Fischer vor knapp zwei Wochen gehen, obwohl er den Club aus der 2. Liga in die Champions League geführt hatte. 

«Das wird keine Hauruckaktion gewesen sein», sagte Baumgart: «So habe ich es nicht nur gelesen, sondern ich gehe mal davon aus, dass ich auch ein bisschen was weiß.» Wegen seiner Nähe zu Union – Baumgart ist Vereinsmitglied, er spielt in der Traditions-Mannschaft, sein Erstwohnsitz ist in Köpenick und seine Frau arbeitete einst im Fanshop – wurde der 51-Jährige von vielen schon als logischer neuer Coach der Berliner erachtet.

«Baumi würde wie die Faust aufs Auge passen. Er hat die Union-DNA und die Fans mögen seine Art», sagte zum Beispiel Sky-Experte Torsten Mattuschka, der Union selbst eng verbunden ist: «Wenn er frei gewesen wäre, wäre er schon Trainer bei Union, da bin ich mir sicher.» Allerdings ist sowohl aus Berlin als auch aus Köln zu hören, dass der Schritt von beiden Seiten auch langfristig nicht angestrebt wird. Bei Union gibt es dem Vernehmen nach auch in höchsten Kreisen Skeptiker, weil Baumgart bei Union alles überstrahlen könnte. Der Coach selbst könnte dagegen lieber Fan bleiben wollen statt ein Angestellter zu werden, der eines Tages auch kritisiert und entlassen wird.

Noch hat der FC-Coach Schonfrist

Dass selbst die Halbwertzeit der gefeiertsten Trainer endlich ist, zeigte diese Saison unerbittlich wie selten. Gerade Fischer, Baumgart und auch der bei Mainz zurückgetretene Bo Svensson schienen wegen ihrer Erfolge mit bescheidenen Mitteln im Sommer so fest im Sattel zu sitzen wie kaum ein Kollege. Nun sind die anderen beiden schon weg, beide verabschiedeten sich hochemotional von Club und Fans. Und bei Baumgart gilt die Schonfrist trotz der klaren Keller-Worte wohl erst mal nur bis zum Winter.

Denn längst wird nach sechs Punkten aus elf Spielen die Kernfrage diskutiert, die auch zum Hauptschuldigen der Krise führt: Hat Keller Baumgart einen zu schlechten Kader zusammengestellt? Oder holt dieser zu wenig raus? Fakt ist: Keller hat im Sommer nicht den angekündigt starken Sechser und den erhofft treffsicheren Stürmer geholt. Fakt ist aber auch: Baumgart hat das Team vor dem Saisonstart als absolut bundesligatauglich eingestuft. Daran wird er nun gemessen. Seine Beliebtheit, seine Verdienste, seine Spielidee haben ihm zurecht einen großen Bonus beschert. Doch diesem wird er bald aktuelle Erfolge hinzufügen müssen. So hart und kalt ist eben das Geschäft. 

Von Holger Schmidt und Arne Richter, dpa

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