Die Fans auf den Tribünen der Stuttgarter Arena werden ihre Blicke hauptsächlich auf die Ansammlung hoch veranlagter Fußballer auf dem Rasen richten.
Denn im Topspiel des 13. Bundesliga-Spieltages zwischen dem VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) gibt es davon reichlich.
Doch vor allem ist die Begegnung des Tabellendritten gegen den Spitzenreiter auch das Aufeinandertreffen der beiden Trainer-Aufsteiger dieser Saison: Leverkusens Xabi Alonso, der seit seinem Einstieg im Oktober 2022 aus der meistens talentierten, aber häufig behäbigen Bayer-Elf einen Titelkandidaten gemacht hat. Und Stuttgarts Sebastian Hoeneß, der den Fast-Absteiger der Vorsaison zu einem Topteam geformt hat.
Hoeneß setzt auf Vertrauen
Dem Neffen von Bayern-Patriarch Uli Hoeneß hätten das nach seiner ersten Trainerstation bei der TSG 1899 Hoffenheim, die sich im Sommer 2022 von Hoeneß trennte, nicht viele zugetraut. Doch dem 41-Jährigen, der selbst nur unterklassig gekickt hat, gelang es mit einer Mischung aus Fachkompetenz, aber auch Ansprache und Sozialkompetenz, die Spieler mitzunehmen.
«Eins ist mir einfach wichtig, das ist die Kommunikation, die Führung der Mannschaft», erklärte Hoeneß kürzlich. «Ich glaube, dass da viel Potenzial drin liegt.» So folgt ihm die Mannschaft um Toptorjäger Serhou Guirassy und dessen Sturmpartner Deniz Undav auf seinem Weg. Auch Spieler, die auf der Bank sitzen, üben keine Kritik.
Zudem hat Hoeneß dem VfB einen Ballbesitzfußball und ein intensives Pressing verpasst, das die Gegner enorm unter Druck setzt. Zu sehen war das am Mittwoch beim 2:0 im DFB-Pokal, als Borussia Dortmund kaum Zeit für einen geordneten Spielaufbau hatte.
Fan von Hoeneß
Und wenn die Stuttgarter den Ball dann haben, kommen sie mit schnellen Kombinationen über die technisch hoch veranlagten Chris Führich und Enzo Millot oder den von Hoeneß aus Hoffenheim geholten Sechser Angelo Stiller schnell vor das gegnerische Tor.
Dabei spüren die Profis auch das Vertrauen, das Hoeneß in sie setzt. Flügelspieler Führich hat er sogar dazu aufgefordert, bewusst ins Risiko zu gehen. Er habe ihn ermutigt, «Dinge zu probieren. Und dann gehen mal zwei Bälle in den Oberrang und dann soll er sich auch den dritten nehmen und nicht verzagen», sagte der Coach zum 25-Jährigen. So hat der VfB auch den Verlust mehrerer Leistungsträger in der Sommerpause kompensieren können. Auch Alonso ist ein Fan von Hoeneß. «Ich mag diesen Fußball und die Ideen des Trainers», verriet der Bayer-Coach.
Nach dieser rasanten Entwicklung verwundert es nicht, dass Papa Dieter Hoeneß, einst Nationalstürmer, neulich meinte, sein Sohn bringe «alle Voraussetzungen» mit, um irgendwann einen Champions-League-Club zu trainieren. Und dass Rekordmeister FC Bayern München, deren zweite Mannschaft Filius Sebastian 2020 zum Drittliga-Titel führte, die Entwicklung des gebürtigen Münchners angeblich genau beobachtet.
Alonso: Bessermacher mit Disziplin
Wie Hoeneß für die Schwaben ist auch der ein Jahr ältere Alonso für Bayer ein Glücksfall. Der ehemalige Weltklassespieler, der drei Jahre für die Bayern gespielt hat, ist auch als Trainer ein Bessermacher. Der 42-Jährige hat mit seinem Ansporn, seiner Detailarbeit und seinem großen Fachwissen eine Euphorie beim Europa-League-Achtelfinalisten entfacht.
Der frühere Welt- und Europameister hat die in sämtlichen Pflichtspielen dieser Saison noch ungeschlagene Elf um Torjäger Victor Boniface und den zuletzt angeschlagenen Supertechniker Florian Wirtz quasi wachgeküsst. Dabei lebt er auch seine Disziplin vor. Unentwegt hat der Spanier seine Deutschkenntnisse verbessert und damit auch den Draht zum Team. «Er ist brutal ehrlich zu uns. Der Trainer sorgt dafür, dass wir alles richtig einordnen», erklärte Mittelfeldspieler Granit Xhaka, der eine zentrale Bedeutung in Alonsos Ausrichtung spielt.
Die Leverkusener Fans lieben ihren Trainer aus dem Baskenland. Auch Kollege Hoeneß schätzt die Arbeit des Basken. «Super, was er bisher gemacht hat. Jetzt spielen sie unheimlich attraktiven, erfolgreichen Fußball», sagte der VfB-Trainer am Freitag.
Vertrag verlängert
Geschätzt wird seine Arbeit auch in der Clubführung. Der ursprünglich bis 2024 laufende Vertrag wurde bis 2026 verlängert. Sportchef Simon Rolfes ist sich sicher, dass der begehrte Coach auch über die laufende Saison hinaus in Leverkusen bleibt, obwohl Alonso immer wieder als neuer Coach von Real Madrid im kommenden Sommer gehandelt wird.
Machen die zwei Trainer mit ihren Mannschaften so weiter, dann könnten sie neben der Bundesliga auch im DFB-Pokal aufeinandertreffen. Dort stehen beide Clubs im Viertelfinale. Ein Endspiel VfB Stuttgart gegen Bayer Leverkusen in Berlin hätte seinen Charme.