Julian Nagelsmann war 20 Jahre alt, als sich sein Vater das Leben nahm. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christian Charisius/dpa)

Der Suizid seines Vaters beschäftigt Bundestrainer Julian Nagelsmann bis heute. «Ich denke oft an diesen Tag zurück», sagte der 36-Jährige in einem «Spiegel»-Interview und erzählte, wie er von der Nachricht erfahren hatte. «Ich war damals auf einem Trainerlehrgang in Oberhaching bei München und habe dort die C-Lizenz gemacht. Und auf einmal hat der Lehrgangsleiter gesagt, ich solle bitte mal hinausgehen.» Im nächsten Moment habe er vor seinem damaligen Schwiegervater gestanden, «der mir eröffnete, dass sich mein Papa umgebracht hat».

Nagelsmann war 20, als er seinen Vater verlor. «Das war schwer. Mein Papa hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen, es gab keine Erklärung. Aber die Art, wie er sich das Leben genommen hat, hat deutlich gemacht, dass seine Entscheidung für ihn absolut feststand», sagte Nagelsmann. «Für die Familie fühlt sich das richtig scheiße an, aber mir hat es geholfen zu wissen, dass er unbedingt sterben wollte und es nicht um einen Hilfeschrei oder ein Signal ging. Ich finde, ich muss eine solche Entscheidung dann respektieren.»

Nagelsmann: «Musste schwerwiegende Entscheidungen treffen»

Der Bundestrainer erzählte von seiner starken Bindung, von einem «ausgezeichneten» Verhältnis zu seinem Vater, der beim Bundesnachrichtendienst arbeitete, von seinem Beruf aber kaum erzählte. «Er durfte über seinen Job nicht sprechen», sagte Nagelsmann. «Das war auch der Grund, warum er oft gesagt hat, ihm sei das alles zu viel. Das Teilen von Sorgen fand in seinem Beruf nicht statt. Ihn hat das dann am Ende sehr stark belastet.» Was sein Vater genau beim BND gemacht habe, wisse er nicht. «Er war jedenfalls nicht in der Verwaltung», sagte Nagelsmann.

Sein Vater sei «mutig» gewesen, «er musste im Beruf immer wieder Entscheidungen treffen in dem Bewusstsein, dass der ganze Plan auch in die Hose gehen konnte», sagte Nagelsmann, der einige Eigenschaften bei sich selbst wiederfindet: «Ich glaube, ich habe vieles von ihm übernommen.»

Die Zeit nach dem Verlust habe ihn geprägt. «Ich war Anfang zwanzig, musste mich auf einmal um die Familie kümmern, die ganzen Versicherungen regeln. Alltagsdinge eben, an die man in dem Alter eigentlich keinen Gedanken verschwendet», sagte Nagelsmann. «Ich musste schwerwiegende Entscheidungen treffen, auch um meine Mutter zu entlasten, die auf einmal in einem großen Haus ohne ihren Partner wohnte. Mit all ihren Erinnerungen.» Solche Entscheidungen hätten eine andere Dimension als Fragen danach, «ob nun der eine oder der andere Stürmer von Beginn an spielt». Er sei schneller erwachsen geworden.

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