Blankenhain – München – Berlin: In 50 Tagen zum EM-Glück
Fast alle DFB-Übungseinheiten finden auf einem Trainingsplatz unweit des Golf-Hotels Weimarer Land statt, der für die EM hergerichtet wurde. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Martin Schutt/dpa)

Lange musste Julian Nagelsmann auf diesen Tag warten. Am Sonntag kann der Bundestrainer einen Großteil des EM-Kaders in Thüringen versammeln und mit den Spielern in die Vorbereitung auf das Heimturnier starten.

Am 14. Juni eröffnet die Fußball-Nationalmannschaft dann in München gegen Schottland die EM-Endrunde. Davor sind Blankenhain, Herzogenaurach, Nürnberg und Mönchengladbach die Stationen. «Ich will das Ding gewinnen», hatte Nagelsmann bei der Bekanntgabe des 27-Mann-Kaders in der vergangenen Woche – im Endspielort Berlin – forsch verkündet. Jetzt geht’s dann los.

Wieso fiel die Wahl für das erste Trainingslager auf Blankenhain?

Rudi Völler war ein Initiator des Trainingslagers im Osten Deutschlands. Dort fühlt man sich oft zu kurz gekommen, was den großen Fußball angeht. Leipzig ist wie bei der WM 2006 der einzige EM-Spielort in den neuen Bundesländern. «Wir wollten zeigen, dass wir alle zusammengehören», sagte DFB-Sportdirektor Völler bei einem Ortstermin. Die Wahl hatte also auch eine (sport-)politische Komponente. Der 36 Jahre alte Nagelsmann war von dem Quartier im Weimarer Land laut Völler auch schnell überzeugt.

Wie sieht das Programm an den fünf Tagen in Thüringen aus?

Gleich am ersten vollen Trainingstag zeigen sich die DFB-Stars den Fans. In Jena wird im Stadion von Regionalligist FC Carl Zeiss am Montag (16.30 Uhr) öffentlich trainiert. Die 15.000 Gratistickets sind längst vergriffen. Alle anderen Übungseinheiten finden auf einem Trainingsplatz unweit des Golf-Hotels Weimarer Land statt, der eigens für die EM hergerichtet wurde. Viel Zeit für die ländliche Idylle, den Golfplatz oder den auf dem Gelände errichteten Padel-Platz werden Manuel Neuer und Co. eher nicht haben. Während der EM wohnen dann übrigens die Engländer um Bayern-Torjäger Harry Kane in Blankenhain.

Auf wen muss Nagelsmann vorerst noch verzichten?

Etwas verspätet kommen die drei Leverkusener Florian Wirtz, Jonathan Tah und Robert Andrich ins Trainingscamp. Am Samstagabend steht für sie mit Bayer noch das DFB-Pokalfinale in Berlin gegen den 1. FC Kaiserslautern an. Am Sonntag folgt die Meisterfeier im Rheinland. Auch Torwart Marc-André ter Stegen und Kapitän Ilkay Gündogan werden es kaum zum öffentlichen Training am Montag schaffen. Beide bestreiten am Sonntagabend noch in Spanien das letzte Liga-Spiel mit dem FC Barcelona beim FC Sevilla.

Gar nicht nach Thüringen kommen die beiden Dortmunder Niclas Füllkrug und Nico Schlotterbeck sowie die von Nagelsmann fix als EM-Stammspieler eingeplanten Toni Kroos und Antonio Rüdiger von Real Madrid. Das Quartett ist beim Finale der Champions League am 1. Juni in Wembley am Start. Zwei Königsklassen-Sieger wird Nagelsmann also auf jeden Fall zum Endspurt der Vorbereitung begrüßen können. «Es wäre einfacher, wenn alle Spieler von Beginn an dabei sind. Die Trainingsarbeit erschwert das, da wir auf wichtige Spieler verzichten müssen. Aber wir werden sie gut und schnell integrieren», sagte Nagelsmann.

Wie reagiert der Bundestrainer auf die anfangs kleinere Trainingsgruppe?

Die U21-Nationalspieler Brajan Gruda (FSV Mainz 05) und Rocco Reitz (Borussia Mönchengladbach) werden in Thüringen die Trainingsgruppe auffüllen. So könne man «auch in der ersten Zeit der Vorbereitung optimal trainieren», erläuterte Nagelsmann. Zusatzeffekt: Er könne «zwei jungen Perspektivspielern die Möglichkeit geben, sich im Kreis der A-Mannschaft zu zeigen». Schließlich ist nach der EM 2024 gleich vor der WM 2026. Die Mittelfeldspieler Gruda (19) und Reitz (21) dürfen schon mal träumen.

Wie geht die EM-Vorbereitung nach dem Trainingslager weiter?

Am 31. Mai zieht der DFB-Tross um nach Herzogenaurach ins EM-Quartier. Auf dem Gelände von Ausrüster Adidas wohnen und trainieren die Nationalspieler – so wie schon bei der vergangenen EM-Endrunde, als im Achtelfinale gegen England frühzeitig Endstation war. Am 3. Juni bestreitet die Nationalelf im nahen Nürnberg ein Testspiel gegen den EM-Teilnehmer Ukraine. Es soll das Comeback-Spiel von Manuel Neuer (38) werden, der zuletzt Ende 2022 bei der vermurksten Weltmeisterschaft in Katar im DFB-Tor stand. Vier Tage später findet in Mönchengladbach gegen Griechenland die EM-Generalprobe statt. Nach einem freien Wochenende trifft sich der DFB-Kader dann wieder in Herzogenaurach zur letzten Phase der Turniervorbereitung bis zum Eröffnungsspiel am 14. Juni in München gegen Schottland.

Welche Personalentscheidungen muss Nagelsmann noch treffen?

23 Feldspieler und vier Torhüter hat Nagelsmann in den vorläufigen EM-Kader berufen. Maximal 26 Akteure darf der Turnierkader umfassen. Der Bundestrainer muss also noch mindestens einen Spieler streichen. Da er sich auf vier Torwarte festgelegt hat, wird es einen Feldspieler treffen. «Die Wackelkandidaten wissen, dass sie eventuell nicht dabei sind», sagte Nagelsmann. Verletzungen in der Turniervorbereitung gab es aber auch häufig.

Zeichnet sich schon eine Turnier-Formation ab?

Ja. Nagelsmanns EM-Wunschelf steht nach dem erfolgreichen Doppeltest gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) im März. Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, lautet die Aufstellung gegen Schottland so: Neuer – Kimmich, Tah, Rüdiger, Mittelstädt – Andrich, Kroos – Musiala, Gündogan, Wirtz – Havertz. «Wir wollen in der Vorbereitung weiter wachsen», sagte Nagelsmann. Im Idealfall verläuft der Wachstumsprozess in 50 Tagen vom Treffpunkt an diesem Sonntag in Blankenhain bis zum EM-Finale am 14. Juli in Berlin.

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa

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