Jürgen Klopp begrüßt die Fans vor seinem letzten Spiel an der Anfield Road. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Craig Thomas/News Images via ZUMA Press Wire/dpa)

Als die Hymne «You’ll never walk alone» in der Anfield Road ertönte, bekam Jürgen Klopp feuchte Augen. Er kämpfte sichtlich dagegen an, seinen großen Emotionen schon vor dem allerletzten Pflichtspiel als Fußballtrainer des FC Liverpool an diesem Sonntag gegen die Wolverhampton Wanderers freien Lauf zu lassen.

«Ich bin im Spielmodus», hatte Klopp unmittelbar vor dem Anpfiff bei Sky gesagt: «Die Menschen haben es «The last dance» genannt – also lasst uns tanzen.»

Doch die Menschen um ihn herum machten es Klopp nicht unbedingt leicht, die Professionalität am letzten Spieltag der Premier League zu wahren. Auf der einen Tribünen-Seite wurde sein Vorname mit Bannern in großen Buchstaben präsentiert, auf der anderen war ein riesiges Herz in den Farben Schwarz-Rot-Gold zu sehen. Gesänge wie «I’m so glad that Jürgen is a Red» hallten durch die Arena. Auch im offiziellen Stadionheft wird die Club-Ikone gewürdigt – und das auf der Titelseite sogar in deutscher Sprache: «Danke Jürgen.»

«Liebesbeziehung» mit den Fans

Familie, Freunde, Wegbegleiter – auch sie waren gekommen und wollten alle eine Umarmung mit Klopp. Dem war die ganze Aufmerksamkeit gar nicht recht. «Ich denke nicht, dass ich irgendjemanden diese Situation wünsche. Es ist sehr schwierig, das als Mensch zu verarbeiten. Jeder singt meinen Namen – ich bin nicht sicher, dass wir dafür gemacht sind», sagte der 56-Jährige: «Ich versuche, so viel Distanz aufzubringen, wie ich kann.» Doch das fiel ihm schwer. Als noch keine Zuschauer im Stadion waren, stand Klopp in einem fast schon spirituellen Moment ganz alleine am Mittelpunkt auf dem Rasen.

Einen Tag vor seinem Abschiedsspiel hatte sich Klopp bereits in den sozialen Medien mit emotionalen Worten an die Fans gerichtet. «Am 8. Oktober 2015 haben wir uns das erste Mal richtig getroffen. Ich würde es eine Liebesbeziehung nennen», sagte der Coach in einem rund zweiminütigen Video auf seinem neuen Instagram-Account mit dem Namen «Kloppo» – Jürgen Klopp, The Normal One. «Vom ersten Tag an war es eine absolut unglaubliche Zeit. Ich habe es so sehr genossen und ich möchte euch so sehr für all die Unterstützung und Kraft danken, die ihr uns über die Jahre gegeben habt.»

Salah wurde zur Schlüsselfigur

In dem Video, das zudem die emotionalsten Momente seiner über achteinhalb Jahre als Coach bei den Reds zeigt, sitzt Klopp in seinem Büro. Ein letztes Mal. Es falle ihm sehr schwer, diesen «unglaublichen Ort zu verlassen», sagte er. Auch deswegen wolle er mit den Fans «in Kontakt bleiben. Und auch, wenn ich bin kein Social-Media-Typ bin, die Leute haben mir gesagt, dass Social Media dabei hilft. Also, auf geht’s. Wir sehen uns.» Einen Tag später hatte das Video bereits mehr als 26 Millionen Likes, 1,6 Millionen Personen folgten schon dem Account von Klopp.

Aber nicht nur die Fans wollen Klopp nicht so schnell vergessen. «Wir werden für immer im Kontakt bleiben, ein Leben lang. Es ist nicht nur eine Arbeitsbeziehung», sagte Liverpools Offensiv-Star Mohamed Salah bei Sky. Der Ägypter gehörte in der Klopp-Ära zu den prägenden Spielern, vor drei Wochen hatten sich beide an der Seitenlinie aber ein Wortgefecht geliefert. Der Zwist ist längst beigelegt. «Wir haben uns gegenseitig sehr geholfen und wir haben alles für den Verein gegeben, um Trophäen zu gewinnen, das kann jeder sehen.»

Klopps Zukunft: «Dann werden wir sehen, was passiert»

Der frühere Mainzer und Dortmunder Bundesliga-Trainer führte Liverpool unter anderem zur Meisterschaft in England und zum Triumph in der Champions League. Doch zu seinem Wirken an der Anfield Road gehören auch dramatische Niederlagen. «Ich weiß, dass wir mehr hätten gewinnen können», gab Klopp zu, «aber das ist okay für mich.» Er habe seine «beste Zeit» beim «besten Club, den ich mir hätte vorstellen können», verbracht.

Sein Nachfolger in Liverpool, der Niederländer Arne Slot, tritt in riesengroße Fußstapfen. Ob Klopp nochmal auf die Trainerbank zurückkehrt, ist offen. «Ich kann anderen Menschen Energie geben, aber dafür muss ich sie selbst haben, und das ist nicht mehr ganz so wie früher», sagte er: «Vielleicht wird das in ein, zwei oder drei Jahren anders sein, ich weiß es nicht, und dann werden wir sehen, was passiert.»

Von Jörg Soldwisch, dpa

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