Mbappé (M) musste mit stark blutender Nase ausgewechselt werden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Fabian Strauch/dpa)

Kylian Mbappé war schon wenige Stunden nach seinem furchteinflößenden Nasenbeinbruch wieder halbwegs zu Scherzen aufgelegt. Die französischen Fußballfans sind seit der Nacht auf Dienstag dagegen in großer Aufregung. Kann der Superstar der Équipe Tricolore am Freitag im möglicherweise schon vorentscheidenden Gruppenspiel gegen die Niederlande wieder spielen oder nicht? Laut dem französischem Fußballverband FFF ist dies noch unklar.

Die Spekulationen sind entsprechend wild, das Spektrum ist riesig. Der Hörfunksender RMC will erfahren haben, dass Mbappé am Freitag beim Vorrundenkracher wieder dabei ist. Mitspieler Adrien Rabiot hält einen Ausfall dagegen für wahrscheinlich. Und RTL Frankreich meldete gar, Frankreichs Kapitän drohe ein Ausfall bis zu einem möglichen Viertelfinale. 

Die Grand Nation bangt

Beim 1:0-Zittersieg des EM-Favoriten zum Auftakt am Montag gegen Ralf Rangnicks wackere Österreicher war Mbappé in der Schlussphase des Spiels in Düsseldorf mit seinem Gesicht mit voller Wucht auf die Schulter des früheren Fortuna-Profis Kevin Danso geprallt. Blutüberströmt wankte Mbappé nach minutenlanger Behandlung und anschließenden Mätzchen schließlich vom Feld und wurde schnell mit einem Rettungswagen in die Uniklinik Düsseldorf gebracht. Immerhin blieb ihm die befürchtete Operation erspart. Klar ist seit dem frühen Dienstag nur: Die Nase ist gebrochen und Mbappé benötigt eine speziell angefertigte Maske bei seinem nächsten Einsatz. Wann der sein wird? Noch unklar. 

«Ideen für Masken?», schrieb Mbappé kurz nach der Entlassung aus der Klinik wieder bei X, vormals Twitter. Anderen ist weniger zum Schmunzeln zumute. «Es geht ihm gar nicht gut», sagte Nationaltrainer Didier Deschamps mit ernster Miene «Die Sache ist kompliziert.» Schon vor der Rückfahrt ins Teamquartier nach Bad Lippspringe bei Paderborn machte sich Deschamps Gedanken über einen möglichen Ausfall seines Anführers. «Eine französische Nationalmannschaft mit Kylian ist immer stärker», sagte der 55-Jährige.

Zumal er gegen die starken Niederländer sein Topteam benötigt. Bei einer möglichen Niederlage droht dem Europameister von 1984 und 2000 nur Platz zwei in der Gruppe D und damit ein Achtelfinal-Duell, das in Frankreich niemand will: Mit dem Nachbarn Belgien. 

Die Sorgen sind groß

Nicht nur bei Deschamps sind die Sorgen groß. «Opfer eines Knochenbruchs mit noch ungewissen Folgen», schrieb «Le Monde» und «Le Figaro» urteilte im Hinblick auf die umgangene Operation: «Die Nachrichten sind zwar auf lange Sicht beruhigend, aber kurzfristig alles andere als ermutigend.»

Ohne Mbappé würde sich die gesamte Statik im Spiel der Franzosen verändern. Über den pfeilschnellen künftigen Profi von Real Madrid läuft bei Les Bleus nahezu alles in der Offensive. Auch am Siegtreffer am Montag durch das Eigentor des Mönchengladbachers Maximilian Wöber (38. Minute) war Mbappé direkt beteiligt. «Es ist sicher, dass sich ohne einen Spieler wie Kylian viele Dinge ändern würden», sagte Abwehrspieler Jules Koundé. 

Für Deschamps ist er unbestrittener Anführer. Mbappé setzte auch vor dem Spiel schon ein viel beachtetes Zeichen, als er angesichts des Rechtsrucks in seiner Heimat bei der Europawahl die junge Generation in Frankreich aufrief, sich an der anstehenden Neuwahl zum französischen Parlament zu beteiligen. «Dies ist ein wichtiger Moment in der Geschichte unseres Landes. Vielleicht ist er so wichtig wie noch nie», sagte Mbappé und maß der Situation sogar größere Bedeutung bei als dem eigenen EM-Auftakt.

Mutmaßungen über Leistungsabfall mit Maske

Nach seinem Unfall gibt es rund um die Équipe Tricolore nun aber nur noch ein Thema: Mbappés Nase. Dabei wird auch die Frage erörtert, wie leistungshemmend die Maske sein wird, wenn er wieder spielen kann. «Das Problem ist hauptsächlich die Atmung, da es zu einer Schwellung in der Nase kommt», wird ein HNO-Chirurg bei RMC zitiert. 

Hinzu kommt, dass Mbappé ohnehin nicht beschwerdefrei ins Turnier ging. Während der Vorbereitung hatte der 25-Jährige Rückenprobleme und einen Tritt abbekommen, der ihn zu einer Schonzeit zwang. Beim 0:0 im letzten Testspiel gegen Kanada wurde Mbappé erst spät eingewechselt. Schon da bekamen die Franzosen einen Eindruck davon, wie fade die Offensive ohne ihren Topstar sein kann. «Wenn es so kommt, werden wir auch ohne ihn kämpfen», sagte Deschamps trotzig. 

Von Carsten Lappe, Morten Ritter und Jens Marx, dpa

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