«Ich werde diese Wege mit dem Zug bestreiten und so viele Spiele wie möglich sehen.», sagt Philipp Lahm, Turnierdirektor der bevorstehenden Fußball-EM in Deutschland. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa)

Philipp Lahm hat in seiner langen Karriere nie die Rote Karte gesehen. Das liegt in erster Linie daran, dass der Weltmeister von 2014 ein überragender Abwehrspieler war.

Über ein Jahrzehnt lang führte in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern kaum ein Weg am heute 40-Jährigen vorbei, weder für Gegner noch für Herausforderer im eigenen Team. Lahm profitierte aber schon als Profi insbesondere auch von jenen Fähigkeiten, die für einen Fußball-Funktionär umso wichtiger sind: Weitblick, Intuition – und Timing.

Wer eine Karriere nach der Sportlerkarriere am Reißbrett entwerfen wollte, der könnte die des Turnierdirektors der am Freitag beginnenden Heim-EM als Vorbild nehmen. Im Sommer 2017 beendete Lahm seine Laufbahn als Profi. Im Herbst 2018 war er als Bewerbungsbotschafter mindestens mitverantwortlich für den Zuschlag bei der EM-Vergabe in der Schweiz. Im Dezember 2020 folgte die Vorstellung als Turnierdirektor.

Lahm vermittelt EM-Botschaften

Lahm steht der EURO 2024 GmbH vor, dem sogenannten Joint Venture des Deutschen Fußball-Bundes und der Europäischen Fußball-Union. Geschäftsführer sind Andreas Schär und Markus Stenger. Bei öffentlichen Terminen rund um das Turnier ist es Lahm, der Visionen und Botschaften der Organisatoren vermittelt. Eine Aufgabe, die ihn längst auch in die höchsten Kreise der Politik geführt hat. Gut eine Woche vor dem Auftaktspiel war eine EM-Delegation zum Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin.

Jetzt, kurz vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels der deutschen Mannschaft gegen Schottland, verspüre er eine «riesengroße» Vorfreude, sagte Lahm am Montag in Neuss. Die offizielle Eröffnung des «International Police Cooperation Center» (IPCC) war ein Pflichttermin für den Turnierdirektor, der in diesen Zeiten Antworten auf ganz andere Fragen finden muss als einst Franz Beckenbauer als in Leichtigkeit strahlender Organisationschef der Heim-WM 2006.

Lahm muss ein Sportgroßereignis inmitten größter Krisen moderieren. Er entschied sich frühzeitig, das Hoffnungsvolle, die Aussicht, dass die EM helfen könne, in den Vordergrund zu rücken. «Dass wir super Spiele sehen, ist, glaube ich, selbstverständlich. Die besten Mannschaften in Europa haben sich qualifiziert», sagte Lahm am Montag und betonte dann: «Wichtig ist, dass wir alle gemeinsam feiern und uns besser kennenlernen.» Passend wählten die EM-Organisatoren frühzeitig das Motto: «United by Football. Vereint im Herzen Europas.»

Cheforganisator als «moderne Leitfigur»

Lahm, die «moderne Leitfigur», schrieb am Montag die Deutsche Fußball Liga in der Überschrift eines Porträts über den 40-Jährigen. Dass er nicht wie Beckenbauer öffentlichkeitswirksam mit dem Helikopter von Spielort zu Spielort fliegen wird, erzählte Lahm im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur fast beiläufig: «Zeiten ändern sich eben, und daran muss sich jeder anpassen.» Lahm wird – im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie – mit dem Zug reisen.

Der Besuch aller zehn Ausrichterstädte in der Vorrunde sei für ihn enorm wichtig, sagte der 40-Jährige, der sich knapp sechs Jahre nach dem Zuschlag verständlicherweise «unheimlich» darauf freue, «wenn endlich der Ball rollt».

Dass die EM-Stimmung im Land ab Freitag aber nicht mehr nur von der Organisation und Sicherheit, sondern auch maßgeblich von den aktuellen Nationalspielern abhängt, weiß der Turnierdirektor aus eigener Erfahrung. 2006 beflügelte Lahm mit dem ersten deutschen Turniertor, im Rückblick führt er auch die erfolgreiche WM 2010 in Südafrika an.

«Die Mannschaft ist jung aufgetreten, mit Euphorie aufgetreten», sagte Lahm über das Turnier, das Deutschland auf Platz drei abgeschlossen hatte, und schickte die Forderung hinterher: «Und genau das muss wieder von der Mannschaft kommen. Das ist ihre Verantwortung, die Begeisterung auf das Feld zu bringen.» Gelingt dies, ist Lahm davon überzeugt, «dass wir alle ein großes Fest im Sommer sehen werden.»

Von Jan Mies, Sabrina Szameitat und Jana Glose, dpa

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