Vincenzo Grifo strahlte und scherzte mit den Journalisten, als er den Pressekonferenzraum im schmucken Juventus Stadium betrat.
Für den in Pforzheim geborenen italienischen Fußball-Nationalspieler ist das Duell mit Juventus Turin im Achtelfinale der Europa League der emotionale Höhepunkt seiner bisherigen Vereinskarriere. Große Teile seiner Familie und Verwandtschaft halten es mit dem italienischen Rekordmeister, drücken im Hinspiel in Piemont am Donnerstag (21.00 Uhr/RTL) laut Grifo aber ihm und seinem SC Freiburg die Daumen.
Für die Badener ist es der bislang größte Auftritt auf internationaler Bühne, der nächste Höhepunkt nach dem – im Elfmeterschießen verlorenen – DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig in der Vorsaison und ein weiteres Sinnbild ihres rasanten Aufstiegs.
Freiburg will Juve Paroli bieten
Dass seine Mannschaft in Turin antreten dürfe, zu einem Pflichtspiel und nicht etwa zur Saisoneröffnung, und er auch noch dabei sein dürfe, das sei der «Wahnsinn», sagte Trainer Christian Streich. Man sei nicht angereist, um die Juve-Stars zu bewundern, sondern ihnen Paroli zu bieten, betonte Grifo. «Der Club hat sich dieses Highlight hart erarbeitet», sagte Ex-Präsident Fritz Keller, der sich die Reise nach Norditalien selbstredend nicht entgehen lässt.
Der ganze SC ist regelrecht elektrisiert. 2100 Fans sicherten sich für das Hinspiel Karten über das Auswärtskontingent. Etliche weitere wurden extra schnell Juve-Mitglieder und holten sich über diesen Weg Tickets, die mittlerweile – auch zu Streichs Bedauern – aber storniert wurden. Die Turiner erwarten eine ausverkaufte Arena.
Die Vorstände Oliver Leki und Jochen Saier sowie Sportdirektor Klemens Hartenbach haben ihre Plätze im Stadion sicher – und neue Verträge in der Tasche. Passenderweise genau in den Tagen vor dem Spiel der Spiele verkündete der SC die Verlängerung des Trios, das mit Trainer Streich den größten Anteil am sportlichen und wirtschaftlichen Aufschwung in den vergangenen Jahren hatte. Der letzte Abstieg liegt mittlerweile knapp acht Jahre zurück. Aktuell hat der SC als Bundesliga-Fünfter gute Chancen auf die zweite Europapokal-Teilnahme nacheinander. Während sie 2013/2014 noch in der Gruppenphase und 2017/2018 sogar in der Qualifikation der Europa League gescheitert waren, stürmten die Freiburger mit 14 von 18 möglichen Punkten diesmal auf direktem Weg ins Achtelfinale.
«Über Jahre hinweg ist es gelungen, die eigene DNA mit vielen Talenten immer weiter auszubauen», sagte Ex-Präsident Keller nicht ohne Stolz auf die Entwicklung des SC, an der er selbst beteiligt war. «Aber auch das neue Stadion ist ein ganz entscheidender Faktor. Spieler gehen in der Regel dorthin, wo sie sehen, dass nach vorne gedacht wird. Das muss sich der SC bewahren.» Nationalspieler Matthias Ginter, der vorigen Sommer von Borussia Mönchengladbach in den Breisgau zurückkehrte, ist das beste Beispiel dafür. Und mit ein Grund dafür, dass Keller den Freiburgern gegen Juve durchaus eine Überraschung zutraut.
Es wird nicht ruhig um die Alte Dame
Juve – der Name steht nach wie vor für europäischen Fußball-Adel, für große Titel, eine illustre Geschichte – aber auch für Skandale. Knapp 17 Jahre nach dem Zwangsabstieg wegen Schiedsrichterbestechung wurden den Turinern jüngst in der Serie A 15 Punkte abgezogen, weil der Verein jahrelang bei seinen Finanzen getrickst haben soll. Auch die Staatsanwaltschaft und der europäische Verband UEFA ermitteln. Ein «Finanzungeheuer» nannte Ex-Freiburg-Boss Keller die Bianchoneri. Ihr großer Name sei durch die Eskapaden in den vergangenen Jahren getrübt worden, natürlich aber immer noch klangvoll, erklärte er.
So stark wie einst ist der 36-malige italienische Meister derzeit nicht mehr. In die Champions League, in der das Team von Trainer Massimiliano Allegri diese Saison in der Vorrunde hängen blieb, soll es nach dem Punktabzug in der Liga nun über die Europa League gehen. Nach der 0:1-Niederlage bei der AS Rom am Sonntag, der ersten nach zuvor sechs Siegen und einem Remis in sieben Pflichtspielen, sinnen die Turiner auf Wiedergutmachung. Der SC soll eine kurze Etappe sein auf dem Weg zum Titel.
Freiburgs Streich sei ein «super Trainer» und habe «das alles verdient, was gerade passiert», sagte Filip Kostic, der im Sommer von Eintracht Frankfurt zu Juve gewechselt war. Der Serbe betonte aber auch: «Wir haben die Qualität, die Europa League zu gewinnen und das ist unser Ziel.» Der topmotivierte Grifo und seine Freiburger haben etwas dagegen.