Die Spielerinnen der spanischen Nationalmannschaft bei der Ankunft im Hotel in Oliva. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jorge Gil/EUROPA PRESS/dpa)

Im Kuss-Skandal um den inzwischen zurückgetretenen Verbandspräsidenten Luis Rubiales versinkt der spanische Frauenfußball immer tiefer im Chaos.

«Spaltung» und «Manipulation» warf Weltmeisterin Jennifer Hermoso dem nationalen Verband RFEF vor, «um uns einzuschüchtern und uns mit rechtlichen Konsequenzen und wirtschaftlichen Sanktionen zu drohen», wie sie beim Portal X (früher Twitter) schrieb. Nun beugten sich aber mindestens elf der fünfzehn nominierten Weltmeisterinnen dem Druck des Königlich Spanischen Fußballverbandes RFEF, und traten bei der Nationalelf an. 

Der Verband hatte mit empfindlichen Geldstrafen und langjährigen Sperren gedroht. Weltmeisterin Misa Rodríguez antwortete auf die Frage von Journalisten, ob sie mit ihrer Nominierung zufrieden sei, mit einem knappen: «Nein». Weltfußballerin Alexia Putellas, die ebenfalls dem Druck nachgab, antwortete auf dem Flughafen von Barcelona auf die Frage, wie sie sich fühle: «Schlecht».

Eiszeit in Spanien

Es herrscht Eiszeit, seit der Verband die streikenden Fußballerinnen gegen deren Willen für die kommenden Länderspiele berufen hatte. Rubiales hatte bei der Siegerehrung nach dem Final-Triumph der Spanierinnen über England am 20. August in Sydney Hermoso ungefragt auf den Mund geküsst und damit weltweit riesige Empörung ausgelöst. Er beteuert weiter, der Kuss direkt nach dem WM-Sieg sei in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt. Dem widerspricht Hermoso vehement.

«Wir haben Wochen, Monate damit verbracht, diesen Schutz zu suchen, den wir in der RFEF selbst nicht finden konnten. Die gleichen Leute, die uns um Vertrauen bitten, sind diejenigen, die heute eine Liste von Spielerinnen veröffentlichen, die darum gebeten haben, nicht berufen zu werden», kritisierte Hermoso nun.

Allerdings machte auch die Regierung Druck – auf die Fußballerinnen: «Wenn die Spielerinnen nicht antreten, muss die Regierung, so leid es mir tut, handeln und dem Gesetz Geltung verschaffen», sagte Víctor Francos dem Radiosender El Larguero.

Francos ist der Präsident der obersten spanischen Sportbehörde CSD, er kündigte Gespräche und einen Schlichtungsversuch an. Sollte dieser scheitern, droht noch viel größerer Ärger. Dem spanischen Sportgesetz zufolge stellt die Weigerung, trotz Nominierung nicht anzutreten, eine besonders schwere Verfehlung dar, die Geldstrafen zwischen 3000 und 30.000 Euro sowie Sperren zwischen 2 und 15 Jahren nach sich ziehen kann. 

Nations-League-Spiel in Schweden

Die neue Trainerin Montse Tomé, die als Vertraute von Rubiales gilt, reiste mit den sechs in einem Hotel in Madrid erschienen Weltmeisterinnen in den kleinen Ort Oliva in Valencia an der Mittelmeerküste. Dorthin hatte der Verband weitere am Vortag von Tomé nominierte Spielerinnen beordert. Nach Angaben des RFEF sollten die Spielerinnen dort das Training beginnen und am Donnerstag nach Schweden fliegen, wo sie am Freitag um 18.30 Uhr in der Nations League gegen die Skandinavierinnen spielen sollen. 

Spanien will sich über dieses Auswärtsspiel und ein Heimpsiel gegen die Schweiz am kommenden Dienstag für Olympia 2024 in Paris qualifizieren. Ob das mit einer derart verärgerten Mannschaft klappen könnte, war fraglich. Am Montag hatte Tomé 15 Weltmeisterinnen nominiert, obwohl diese zuvor mitgeteilt hatten, dass sie nicht nominiert werden wollten, solange es keine tiefgreifenden Änderungen im Verband gebe. Die Kritik macht sich an Bevormundung durch und übergriffiges Verhalten von Männern fest. 

Vor Journalisten in Madrid hatte Tomé versichert, sie habe mit den von ihr nominierten Fußballerinnen gesprochen und keine von ihnen habe die Teilnahme an den Begegnungen verweigert. Das sahen die Spielerinnen um Putellas komplett anders. Am späten Montagabend teilten sie mit, ihren Länderspiel-Streik fortzusetzen. Hermoso war nicht von Tomé berufen worden. Zu den Gründen hatte die Trainerin gesagt, man wolle Hermoso so «beschützen». In ihrem Statement bei X reagierte die 33-Jährige auch auf Tomé: «Mich vor was schützen? Und vor wem?» 

Die zur besten WM-Spielerin gekürte Aitana Bonmatí schrieb um kurz vor Mitternacht bei X unter anderem: «(…) unser fester Wille, aus berechtigten Gründen nicht nominiert zu werden (…) bleibt in vollem Umfang gültig.» Hermoso schrieb, sie stehe ganz an der Seite ihrer Mitspielerinnen.

Durch ihren Länderspiel-Streik wollten die Fußballerinnen den Druck auf den Verband hochhalten. 21 Mitglieder des Weltmeisterkaders und 18 weitere Topspielerinnen forderten unter anderem auch die Absetzung von RFEF-Interimschef Pedro Rocha und weiterer Funktionäre, die Rubiales nahestehen.

Der Verband hatte anlässlich der Kader-Nominierung ein Kommuniqué herausgegeben und betont: «Wir garantieren den Spielerinnen ein sicheres Umfeld und setzen uns für ein Klima des gegenseitigen Vertrauens ein, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass sich der Frauenfußball in Zukunft noch stärker entwickelt.»

Von Jan-Uwe Ronneburger, Emilio Rappold und David Joram, dpa

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