Robin Gosens im Gespräch mit NFL-Star Raekwon McMillan. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Der Handschlag von Robin Gosens mit NFL-Profi Raekwon McMillan von den New England Patriots krachte wie ein Donnerhall.

Nach der schwungvollen Begrüßung plauderten die Stars aus den unterschiedlichen Sportwelten auf dem Vorplatz des Gillette Stadiums in Foxborough – einer von 16 Arenen für die Mega-Fußball-WM 2026 – angeregt miteinander. Man hatte sich offensichtlich viel zu erzählen. 

Die Länderspiel-Reise der deutschen Nationalmannschaft in die USA ist ganz offiziell eine Schnuppertour zum größten der drei Turnier-Gastgeber neben Mexiko und Kanada. Amerika, das ist aus deutscher Perspektive weiterhin der Blick auf ein Land der noch begrenzten Fußball-Möglichkeiten. Eine WM in den USA klingt immer auch ein wenig nach sportlicher Entwicklungshilfe für die Nation des American Football, Baseball und Basketball. 

Gesteigertes Interesse an Soccer

«Aber wenn die WM kommt, gibt es noch mal einen Push. Wenn es auch schwierig wird, hier in den USA die Sportart unter die anderen drei, vier, die es hier gibt, zu bringen. Aber zumindest gewinnt es sehr an Bedeutung. Es ist im Kommen», schilderte Bayer Leverkusens Nationalspieler Jonas Hofmann seine Eindrücke nach den ersten Tagen mit der DFB-Elf in Übersee.

Diese Sichtweise wird knapp drei Jahre vor der WM durch Zahlen belegt. Bis 2004 gab es laut Umfragen nie mehr als zwei Prozent der Amerikaner, die Fußball gerne anschauten. Bei einer Umfrage für die «Washington Post» 2022 dagegen: acht Prozent. Binnen 18 Jahren hat sich der Anteil der Menschen in den USA, die Fußball gerne als Zuschauer verfolgen, also vervierfacht.

An die Liebe des Landes zum American Football kommt Soccer zwar noch immer bei Weitem nicht heran. Doch der Abstand hat sich massiv verkleinert. Fußball ist als TV-Sport beliebter als Eishockey, Tennis, Golf und Motorsport. Anders ausgedrückt: Nur die NFL, Basketball und Baseball sind laut der ermittelten Daten für die «Washington Post» beliebter bei Zuschauern. 

Einer der Gründe: Viel mehr Kinder spielen inzwischen Fußball an der High School als noch vor wenigen Jahrzehnten. Weil in den USA der Nachwuchs vor allem über Schulen und Universitäten und nicht über Vereine wie in Europa organisiert wird, sind sie die Quellen für nachfolgende Generationen an Profis. 

Den Eindruck des dynamischen Wachstums spürt auch Markus Kuhn. Der Koloss aus Mannheim hat 2014 als erster Deutscher einen Touchdown in der NFL erzielt. Jetzt freut er sich, dass die Sportkulturen seiner alten und neuen Heimat immer mehr gegenseitige Wertschätzung erfahren. «Was ich unglaublich finde, ist, was mit dem Fußball in Amerika passiert ist. Wenn man sich überlegt, wie viele Kinder am Anfang zum Football hin tendiert sind, wie viele Jungs und Mädchen inzwischen Fußball spielen hier drüben», sagte Kuhn als Trainingsgast der DFB-Elf in Foxborough. 

Gut eine Million Jungs spielen American Football. Die Zahl hat sich über die Jahre kaum verändert. Fußball dagegen wuchs und wuchs. Vor 40 Jahren waren es 200.000, in den 2000ern lagen die Angaben bei etwa 400.000 Fußball spielenden Schülerinnen und Schülern. Inzwischen sollen 800.000 an den Schulen aktiv sein. 

Eine Folge davon: Bei jüngeren Erwachsenen im Alter von 18 bis 39 ist Fußball inzwischen beliebter als Baseball. Für Sportfans in Deutschland klingt das selbstverständlich. Baseball ist in den USA aber seit Jahrzehnten ein Kulturgut. Und Plätze zum Spielen sind in jedem Dorf so verbreitet wie Fußballtore von Schleswig-Holstein bis Bayern. 

Messi löst Hype aus

Insbesondere in den Metropolen ist Fußball auch im öffentlichen Leben wahrnehmbar. Sportplätze mit kickenden Kindern sind beispielsweise in Los Angeles viel präsenter als Einheiten von Football-Teams auf Schulplätzen. Während der WM in Katar waren Pubs und Sportbars in der Mega-Stadt gut gefüllt. Auch das Champions-League-Finale zwischen Inter Mailand und Manchester City konnte an vielen Orten nur sehen, wer sich rechtzeitig vor Anpfiff einen Platz gesichert hatte. Das Pratt & Whitney Stadium at Rentschler Field in Hartford ist für die Partie der deutschen Nationalmannschaft am Samstag (21.00 Uhr/RTL) gegen die USA mit knapp 40.000 Fans ausverkauft. 

Der Wechsel von Lionel Messi zu Inter Miami hat einen Hype ausgelöst. In den Zeitschriftenständen von Supermärkten gibt es ganze Ausgaben, die sich nur mit dem Weltmeister aus Argentinien beschäftigten. Superstars wie LeBron James flogen für Messis Debüt im rosafarbenen Trikot extra ein, Ticketpreise für Spiele mit Miami-Beteiligung explodierten. 

FIFA-Präsident Gianni Infantino hat sich seither auch bei mindestens zwei Partien der Mannschaft von David Beckham auf der Tribüne sehen lassen. Für den Weltverband ist die USA ein genuiner Wachstumsmarkt. Ex-Präsident Joseph Blatter hätte schon die Katar-WM 2022 lieber in den Vereinigten Staaten gehabt – das hätte ihm viel persönlichen Ärger im damaligen Korruptionssumpf erspart. Infantino drückte für das kommende Turnier die Reform mit 48 Teilnehmern und 104 Partien durch. Der Gigantismus passt auch zu Amerika. 

«Die WM steht vor der Tür, es ist ein Riesenerlebnis für die ganze Nation, dass ein Spieler wie Lionel Messi nach Amerika kommt. Ich denke, das sagt viel über die Liga aus: dass sie am Wachsen ist», sagte der Berliner Hany Mukhtar zuletzt der Deutschen Presse-Agentur. Als Torschützenkönig und wertvollster Spieler der vergangenen Saison in der Major League Soccer ist der Angreifer aus der Jugend von Hertha BSC einer der wichtigsten Spieler der Liga und verfolgt die Entwicklung seit seinem Wechsel zu Nashville SC vor drei Jahren. 

Der Markt floriert jedenfalls: Der TV-Vertrag mit Apple hat der MLS neben einer Menge Geld (laut Medien 2,5 Milliarden für zehn Jahre) auch die Marketingwucht des Konzerns eingebracht, der beispielsweise mit der enorm erfolgreichen Unterhaltungsserie «Ted Lasso» den Sport auf schlaue Art und Weise erklärt, zugänglich und interessant macht – gerade für amerikanische Sport-Fans. 

Von Maximilian Haupt, Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa

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