Dem früheren Auswahlkapitän Michael Ballack fehlen in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft richtige Führungsfiguren. Er wisse nicht, ob Spieler in der Mannschaft seien, «die in bestimmten schwierigen Situationen dann diese Schlüsselspieler sind, die die anderen mitziehen können», sagte der 98-malige Nationalspieler im Podcast «Spielmacher – Der EM Talk von Sebastian Hellmann und 360Media».
Der 47-Jährige ergänzte: «Ich glaube, da haben wir noch Luft nach oben.» Er würde sich freuen, sollten sich «noch ein paar Spieler herauskristallisieren, die das noch mehr haben».
Deswegen habe der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann auch Thomas Müller und Mats Hummel zurückgeholt. «Weil die natürlich diese Erfahrung haben, diesen Führungsanspruch, vielleicht auch die Empathie und diese Ansprache zu den Spielern, wo Julian Nagelsmann gemerkt hat, die brauche ich. Die Jungs sind genau die, um die anderen auf dieses Level zu hieven», sagte der frühere Mittelfeldspieler, der von 2004 bis 2010 DFB-Kapitän war.
Derweil fehlt dem dreimaligen deutschen Fußballer des Jahres bei heutigen Trainern, im speziellen Fall die Ex-Bundestrainer Joachim Löw und Hansi Flick, die nötige Selbstreflexion. «Damals gab es auch eine gewisse Art von Selbstreflexion. Wenn das Ziel nicht erreicht wurde, machst du den Weg frei für einen neuen, gerade in einer Fußball-Nation wie Deutschland», meinte der 47-Jährige. Früher sei ein Wechsel auf dem Trainerposten nach dem Verpassen der Ziele Normalität gewesen.
Ballack: Chemie mit Flick hat nicht gestimmt
Dass es zwischen dem im September entlassenen Flick (58) und der DFB-Elf nicht mehr stimmte, sei auch bei der Anfang September erschienenen vierteiligen Dokumentation «All or Nothing» bei Amazon Prime über das deutsche WM-Vorrunden-Aus offenkundig geworden. Da habe man gesehen, dass es nicht mehr funktioniert habe. «Deswegen war es für mich auch nicht überraschend, dass der Erfolg nicht da war. Weil die Chemie, die Energie nicht gestimmt hat», sagte Ballack.
Flicks Vorgänger Löw (63) attestierte Ballack derweil fehlende Kommunikation mit Spielern – vor allem mit denen, die er nicht mehr im Kader haben wollte. «Das war sicher eine seiner Schwächen. Aber er konnte das nicht, hat die Dinge dann meistens laufen lassen und hat es den Medien überlassen, die das Spiel natürlich gerne aufgegriffen haben», sagte Ballack. Dabei würden alle «großen Spieler» eine klare Ansage verstehen. Löw hatte Ballack 2010 nach seinem verletzungsbedingten Fehlen bei der WM die Kapitänsrolle abgenommen und an Philipp Lahm weitergereicht. Später berief Löw Ballack nicht mehr in die DFB-Elf. Bis heute habe es kein klärendes Gespräch gegeben. «Das war damals natürlich bitter, ist aber heute schon lange kein Thema mehr», sagte Ballack.