Interimstrainer Marco Grote und Co-Trainerin Marie-Louise Eta bereiten eine Trainingseinheit vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Matthias Koch/dpa)

Interviewanfragen an Marie-Louise Eta lehnt der 1. FC Union Berlin rigoros ab. Bloß nicht noch mehr Nebengeräusche kreieren, wenn sich die seit 14 Spielen sieglosen Krisen-Köpenicker uneingeschränkt auf den Abstiegskampf konzentrieren sollen. Aber selbst ohne eine Äußerung der derzeit wohl prominentesten Frau im deutschen Männerfußball ist der Wirbel um Eta vor dem Heimspiel gegen den FC Augsburg riesig – schließlich ist die 32-Jährige die erste Co-Trainerin in der Geschichte der Bundesliga.

«Die Entscheidung war nicht für eine Frau, sondern eine Fußballlehrerin», stellte Union-Präsident Dirk Zingler klar. Geschlechterdebatten konnte aber auch er nicht verhindern.

Beim ersten Auftritt der Eisernen nach der Freistellung von Urs Fischer werden nur wenige Kameras auf Interimscoach Marco Grote gerichtet sein. Die Frau der Stunde ist seine Assistentin. Es gilt als sicher, dass beide an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Augsburg an der Seitenlinie stehen. Denn die Trainersuche ist laut Zingler ein sorgfältiger Prozess, den man ohne Zeitdruck angehen will.

Keine Gleichberechtigung im Fußball

Eta bekommt also die Chance, sich vor einem Millionenpublikum zu präsentieren. Eine herausfordernde Situation für die 32-Jährige, die im kurzen, medienöffentlichen Training am Montag zurückhaltend im Hintergrund agierte. Ihr Gesicht vergrub sie in ihrer dicken schwarzen Winterjacke, sortierte Leibchen, warf den Spielern Bälle zu, sagte fast kein Wort. Laut war nur das Klicken der Kameras. Ein kleiner Vorgeschmack auf Samstag.

Ihre Weggefährten bescheinigen Eta eine herausragende Fußballkompetenz. Dass sich der öffentliche Rummel dennoch stark um ihr Geschlecht dreht, findet ihr langjähriger Trainer Bernd Schröder lächerlich. «Das ist ein gesellschaftliches Problem, nicht nur ein sportliches. Wir sind noch lange nicht bei Gleichberechtigung angekommen. Im Fußball schon gar nicht», sagte der 81-Jährige. Schröder trainierte Eta von 2008 bis 2011 bei Turbine Potsdam. Etas Karrieresprünge überraschen ihn nicht.

Gespräche mit Baumgart und Glasner

Schritt für Schritt arbeitete sich die Bundesliga-Pionierin auf der Trainer-Karriereleiter nach oben. Nach Erfahrungen bei den Junioren-Teams von Werder Bremen meldete sich 2021 der DFB und machte die studierte Sportmanagerin zur Co-Trainerin diverser U-Mannschaften. Nebenbei absolvierte sie den Pro-Lizenz-Lehrgang der DFB-Akademie Frankfurt, tauschte sich mit Ex-Eintracht-Coach Oliver Glasner und Kölns Trainer Steffen Baumgart über den Trainer-Job aus und schloss den Lehrgang schließlich 2022 als einzige Frau erfolgreich ab.

Erst im Sommer stieß Eta zu den U19-Junioren von Union. «Sie hatte auch Anfragen aus dem Frauenfußball, aber sie hat sich sehr bewusst für dieses Haifischbecken Männerfußball entschieden. Sie hat Bock auf dieses Haifischbecken», sagte Werder Bremens Frauenfußball-Chefin Birte Brüggemann der Deutschen Presse-Agentur. Beide kennen sich bestens aus gemeinsamen Zeiten an der Weser.

Weltmeisterin und deutsche Meisterin

Etas gesamtes Leben dreht sich um Fußball. Sogar zum Schlafen klemmte sie sich als Kind manchmal den Ball unter ihren Arm. Ihr Vorbild: David Beckham. «Ich habe lange bei den Jungs in Dresden gespielt. Damals dachte ich nicht, ich kann irgendwann im Männerfußball mit Beckham spielen», erzählte Eta dem ZDF. Brüggemann weiß: «Sie ist ein absolutes Trainertalent. Sie lebt Fußball mit Haut und Haar. Sie denkt Fußball.»

Doch die aktive Karriere der dreimaligen deutschen Meisterin, Champions-League-Siegerin und U20-Weltmeisterin Eta endete im Alter von 26 Jahren. Die Doppelbelastung aus ersten Trainer-Jobs und eigenen Spielen war zu viel, diverse Verletzungen hinterließen ihre Spuren.

Eta jetzt ein Vorbild

Rund sechs Jahre später debütiert Eta nun in der Bundesliga. «Sie ist jetzt ein Vorbild für andere Frauen, die auf hoher Fußballebene Trainerin werden wollen. Marie-Louise Eta öffnet Türen», befand Brüggemann, die Eta auch die Cheftrainerrolle in der Bundesliga zutraut. Zumindest perspektivisch. Noch käme dieser Schritt zu früh.

«Malen wir uns mal das Bild, sie ist Cheftrainerin. Wenn es dann mal nicht so läuft, geht es noch deutlicher unter die Gürtellinie als bei Männern, und sie würde sofort auf ihr Geschlecht reduziert werden. Ihre jetzige Rolle als Co-Trainerin ist perfekt, um in das Business reinzuwachsen», sagte Brüggemann. Verläuft Etas Karriere weiter so steil bergauf, dürfte der nächste Schritt bald folgen. Und dann muss Eta auch Interviews geben.

Von Jordan Raza und Alina Schmidt, dpa

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