Bernd Reichart ist Geschäftsführer des Sportprojekteentwicklers A22. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Gollnow/dpa)

Die Zukunft des europäischen Club-Fußballs wird vor Gericht entschieden. So dramatisch stellen es zumindest beide Seiten im seit über zwei Jahren andauernden Super-League-Streit dar. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss grundsätzlich schlichten.

An diesem Donnerstag (9.30 Uhr) soll im Fall C333/21 das Urteil verkündet werden, das zwar weder die Champions League abrupt einstellt noch sofort ein Konkurrenzprodukt einführt – aber ein deutliches Zeichen sein wird, wer wie über die Spiele der Top-Vereine um den FC Bayern, Real Madrid und Manchester City entscheiden darf.

Worum geht es im Streit um die Super League?

Vor zweieinhalb Jahren probten zwölf europäische Topclubs die große Revolution. Die Vereine um Real Madrid, den FC Barcelona und Juventus Turin verkündeten, eine Super League als Konkurrenz für die etablierte Champions League zu gründen. Der Aufschrei bei Ligen, Fans und der Politik fiel heftig aus. Die UEFA drohte mit Ausschluss von allen Wettbewerben, beteiligte Spieler sollten nicht mehr bei Welt- und Europameisterschaften teilnehmen dürfen. Unter anderem die englischen Teams zogen schnell zurück, die Super League war vom Tisch – vorerst. Doch vor allen Real und Barcelona ließen nicht locker. Der deutsche RTL-Manager Bernd Reichart vertritt das Projekt für die Agentur A22 und betreibt auf einer Europatour bei Clubs Lobbyarbeit.

Warum fällt der Europäische Gerichtshof ein Urteil?

Der EuGH muss unter anderem entscheiden, ob UEFA und FIFA als Kartell handeln und ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für Fußballwettbewerbe missbrauchen. Diesen Vorwurf macht die Superleague Company, weil die Fußballverbände für den Fall der Gründung der Liga Sanktionen angedroht haben. Neben dem Kartellvorwurf berührt der Fall auch andere europarechtliche Fragen, etwa die Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten wie der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Niederlassungsfreiheit.

Welche Bedeutung hat der Schlussantrag des Generalanwalts?

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind ein Gutachten, in dem der Generalanwalt die Rechtsfragen prüft und seine Ansicht mitteilt. Die Richter folgen dem Gutachten oft, aber nicht immer. Im Fall der Super League hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vor knapp einem Jahr der UEFA den Rücken gestärkt. Er war der Meinung, dass die Super League zwar ihre eigene Liga starten kann, dann aber parallel nicht mehr an den Wettbewerben von FIFA oder UEFA ohne deren Erlaubnis teilnehmen darf. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die Richter ähnlich entscheiden. Sie können aber auch ganz anders urteilen, denn die Schlussanträge sind rechtlich nicht bindend.

Wie geht es nach dem Urteil juristisch weiter?

Der EuGH legt grundsätzlich erst einmal nur die europarechtlichen Fragen aus. Über den konkreten Fall entscheidet dann das nationale Gericht, das den Fall dem EuGH vorgelegt hat. Im Super-League-Fall war ein Gericht in Madrid angerufen worden, dieses hatte den EuGH gebeten, das EU-Recht für das Verfahren auszulegen. Die spanischen Richter müssen die Vorgaben des EuGH beachten.

Wie ist die Position der UEFA und der deutschen Clubs?

UEFA-Präsident Aleksander Ceferin leitet praktisch jede Äußerung über den Streit abschätzig mit der Bezeichnung «der sogenannten Super League» ein, verkündete schon mehrfach, das Konstrukt sei «tot». Der Dachverband verurteilt jeden Versuch, außerhalb der eigenen Grenzen Club-Wettbewerbe zu organisieren und sieht sich als einzige Organisation, die in Europa für den Fußball verantwortlich ist. Die deutschen Vereine gehörten beim im April 2021 gescheiterten ersten Versuch nicht zu den Initiatoren und stehen seitdem klar zur UEFA. In deren Exekutivkomitee sitzen in Karl-Heinz Rummenigge (für die Club-Vereinigung ECA) und Hans-Joachim Watzke zwei der einflussreichsten Führungskräfte im deutschen Fußball.

Wie soll eine Super League aufgebaut sein?

Ursprünglich sah das Konzept der Super League überwiegend feste Teilnehmer vor, dauerhafte Mitglieder soll es nun nicht mehr geben. Das bislang letzte Modell sah vor, dass mehrere Spielklassen Platz für 60 bis 80 Mannschaften bieten soll, die in einem Ligensystem mit Auf- und Abstieg mindestens 14 europäische Auftritte garantieren. Grundprinzip: Bei einer schlechten Saison soll nicht direkt der Zugang zu allen europäischen Einnahmen auf dem Spiel stehen.

Wie sieht die Zukunft der Champions League aus?

Die Wettbewerbe der UEFA werden ab der kommenden Saison von Grund auf reformiert. Die seit Jahrzehnten bestehende Gruppenphase wird abgeschafft, gespielt wird in der Vorrunde mit 36 (statt wie bisher 32) Clubs in einem Ligensystem mit jeweils acht Spielen gegen acht verschiedene Gegner. Die besten Acht qualifizieren sich direkt für die K.o.-Runde, die weiteren 16 Teams bis Platz 24 spielen in Playoffs um den Einzug ins Achtelfinale. Insgesamt sind 64 zusätzliche Spiele zu sehen. Die UEFA rechnet mit einer erheblichen Einnahmesteigerung – die Super-League-Macher sehen hingegen Nachteile: Es gäbe noch mehr unbedeutende Spiele, kritisiert Reichart. «Klüger wäre es doch, sich darauf zu konzentrieren, einen besseren Wettbewerb zu bauen, in dem es mehr spannende und entscheidende Spiele vom ersten bis zum letzten Spieltag gibt.»

Von Regina Wank, Jan Mies und Florian Lütticke, dpa

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