Bei Manuel Neuer klang in der Freude über den Sieg im Offensiv-Spektakel und seinen eigenen Bundesliga-Rekord viel Unzufriedenheit durch, als er die Kabinen-Sicht der Bayern-Stars in der Personalie Niklas Süle preisgab.
«Uns alle nervt, dass Niklas geht. Er wird uns fehlen», sagte der Nationaltorhüter nach dem 3:2 beim Highspeed-Topspiel gegen RB Leipzig.
Eingepackt im warmen Wintermantel widersprach der Münchner Kapitän auch seinem Ex-Chef Karl-Heinz Rummenigge, der den am Saisonende scheidenden Nationalspieler Süle als «brauchbarem Spieler» bezeichnet und diesem letztlich das Bayern-Format abgesprochen hatte. Süle habe sich «nie wirklich» beim Serienchampion durchgesetzt.
Süle beklagt fehlende Wertschätzung
«Ich denke, dass man heute sagen kann, dass er sich hier durchgesetzt und klasse Leistungen gezeigt hat», entgegnete der sonst nach Spielen in Personalfragen eher zurückhaltende Neuer unerwartet klar. Süle, den Neuer als «Eckpfeiler» bezeichnete, und die Club-Bosse hatten sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf eine Verlängerung des am Saisonende auslaufenden Vertrags einigen können. Der 26-Jährige verlässt den FC Bayern ablösefrei. Süle habe das Gefühl gehabt, «nicht genügend wertgeschätzt zu werden», sagte Berater Volker Struth im Sport1-Doppelpass. «Er möchte mal was anderes machen.» Laut Struth soll der neue Club bereits feststehen.
Ähnliche Entwicklungen wie bei Süle schließen die Münchner bei den Vereinsikonen Thomas Müller, Robert Lewandowski und Neuer aus. «Ich würde mich freuen, wenn alle drei ihre Karriere beim FC Bayern beenden würden. Und ich gehe auch fest davon aus, dass es so kommen wird», sagte Präsident Herbert Hainer beim TV-Sender Bild. «Die drei wissen, was sie am FC Bayern haben. Wir wissen, was wir an diesen drei Spielern haben. Thomas Müller gehört zum FC Bayern wie die Frauenkirche nach München.»
Die Verträge von Neuer (35), Lewandowski (33) und Müller (32) sind noch bis zum 30. Juni 2023 datiert. «Pauschal gibt es bei solchen Geschichten keine Wunschziele oder sonst was, man muss einfach die Gesamtgemengelage betrachten», sagte Urgestein Müller nach dem Leipzig-Match. «Insgesamt bin ich da sehr entspannt.» Wie auch Julian Nagelsmann. «Wenn ich richtig im Kalender schaue, ist ja bis 2023 noch ein bisschen hin. Da findet sich noch ein Tag, an dem ausreichend Gespräche geführt werden können», erklärte der 34-Jährige, der beim Sieg gegen den Ex-Verein in einer roten Collegejacke mit einem großen «M» für Aufsehen sorgte.
Bayern festigt Tabellenspitze
Neuer gibt sich entspannt, zumal schon über eine nahende Einigung bis 2025 spekuliert wurde. «Der Plan ist: Solange ich fit bin, solange ich gesund bin, solange ich gebraucht werde, es Spaß macht, werde ich weiterspielen», sagte Neuer am Samstag, der vor 10.000 Zuschauern seinen insgesamt 310. Bundesligasieg im 458. Spiel bejubelte. Sein aktueller Chef Oliver Kahn benötigte einst als Torwart-«Titan» für die Bestmarke 557 Begegnungen.
Als sicherer Rückhalt half Neuer selbst entscheidend mit, dass die Münchner dank Treffer von Müller, Lewandowski und einem Eigentor von Josko Gvardiol anderthalb Wochen vor dem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen RB Salzburg einen endlich wieder mit Fans im Stadion gefeierten Sieg bejubelten. «Jedes Spiel, das man gewinnt, ist ein Big Point», frohlockte Joshua Kimmich.
Leipzig, das nur eines von 14 Pflichtspielen gegen den Branchenprimus gewinnen konnte, glückte durch André Silva und Christopher Nkunku zumindest zweimal der Ausgleich. Doch Bayern festigte die Tabellenspitze. «Das ist immer wieder ein Zeichen an andere Mannschaften», hob Neuer hervor.
Entsprechend entspannt konnte Nagelsmann am Sonntagnachmittag bei «Matchboxautos und Playmobil» des Sohnes im Wohnzimmer den Auftritt von Verfolger Borussia Dortmund gegen Bayer Leverkusen verfolgen. Und sich über den 5:2-Auswärtssieg von Bayer freuen, durch den München nun schon neun Punkte Vorsprung vor dem BVB hat.
Ohne äußerlich feststellbare Aufregung nimmt Nagelsmann auch die Vertragsfragen wahr, die die Bayern kurz vor dem Start der K.o.-Phase in der Königsklasse beschäftigen. «Es gibt Vereine in Europa, die ein paar mehr Euros aufbringen können, und dann ist das leider manchmal so», sagte der 34-Jährige über den Abgang seines früheren Hoffenheimer Spielers Süle. Die Aussagen von Neuer seien «eine Anerkennung für Niklas und Ansporn, dass er die letzten vier Monate, bei denen er bei uns ist, alles in die Waagschale wirft, um nochmal den besten Niklas Süle bei Bayern zu präsentieren.»