Fans von RB Leipzig halten ihre Fanschals in die Höhe. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)

Rudi Völler versteht die Welt nicht mehr. Und so erbat sich die deutsche Stürmerlegende als eine Art letzten Wunsch vor dem Ruhestand, dass der SC Freiburg vor dem Pokalfinale gegen RB Leipzig einlenkt und den ins Alberne mäandernden Schalstreit beendet.

«Ihr könnt nicht zum Finale und Theater haben. Das könnt Ihr mir zum Abschied nicht antun», sagte Völler auf seiner Abschiedsfeier bei Bayer Leverkusen. Freiburg hatte vor dem Endspiel am Samstag die Verwendung ihres Wappens für gemeinsame Fanartikel untersagt.

Mintzlaff: «Häme muss man sich erarbeiten»

Abneigung gegen RB Leipzig hat mittlerweile so etwas wie Tradition im deutschen Fußball. Dann ist immer wieder vom Konstrukt die Rede, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. Während man sich auf Manager-Ebene mittlerweile mit dem Gegenteil abgefunden hat, gibt es in der Fanszene weiter Widerstand. «Wir machen solche Produkte für die Fans und wenn die Grundlage dafür nicht gesehen wird, dann sollte man es auch lassen», sagte Freiburgs Geschäftsführer Oliver Leki bei Sky zum Schal-Zoff. Der 49-Jährige zeigte sich erstaunlicherweise überrascht von dem Ausmaß dieser Entscheidung.

Dabei wird das Feindbild RB Leipzig oftmals dann vermehrt bedient, wenn der Club erfolgreich ist. Da kommt so ein Pokalfinale gerade recht, in dem die Sachsen ihren ersten großen Titel gewinnen können. Schließlich nimmt RB der Logik folgend einem anderen Verein den Platz im Finale weg. Im Trainingszentrum am Leipziger Cottaweg gehen sie damit routiniert um und bedienen sich bei Wilhelm Busch, der Neid einst als aufrichtigste Form der Anerkennung bezeichnete. «Häme muss man sich erarbeiten», sagte Vorstandsboss Oliver Mintzlaff.

Vielen Gegnern von RB Leipzig geht es aber weder um Neid noch um Häme. Sie sehen den Missbrauch ihres Spiels. Sie sehen Zustände wie in England, wo Clubs von Oligarchen und Scheichs gesteuert werden und wo ein Verein wie Newcastle United in der kommenden Saison in den Farben Saudi Arabiens spielen soll, weil deren neuer Eigentümer eben dorther kommt. Sie wollen, die Zukunft ihres Vereins mitgestalten und vor allem mitbestimmen dürfen.

Mitbestimmung ist in Leipzig nicht gegeben

Das ist in Leipzig nicht vorgesehen. «Da wird Fußball gespielt, um eine Getränkedose zu performen», ätzte einst Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Eine romantische Geschichte, nach der sich ein paar Kumpels mit demselben Hobby zusammentaten und einen Verein gründeten – die gibt es bei RB nicht. Mitbestimmung für Fans entfällt weitgehend. Stand März 2022 hatte Leipzig nur 20 stimmberechtigte Mitglieder.

Hinzu kommen ein paar Hundert Fördermitglieder. Die dürfen bei den Mitgliederversammlungen zuschauen, aber haben nichts zu sagen. Solche öffentlichen Zusammenkünfte gibt es auch erst seit 2014, weil sie Auflage und Bedingung für den Zweitligaaufstieg waren.

Im Regelwerk des deutschen Fußballs war das System RB im Gründungsjahr 2009 nicht vorgesehen. Es war einem Investor untersagt, sich in einen Verein einzukaufen, die Stimmenmehrheit zu übernehmen, den Namen zum Zweck der Werbung zu ändern oder neu zu vergeben.

«RB» steht für RasenBallsport

Also gründete der österreichische Getränke-Milliardär Dietrich Mateschitz den Verein einfach selbst und kaufte dem SSV Markranstädt das Startrecht für die Oberliga ab. Die 50+1-Regelung, laut der muss der Verein eine ausgelagerte Kapitalgesellschaft steuern, wurde damit in Leipzig ausgehebelt. Denn das Unternehmen ist der Verein.

Der Kniff, nach dem RB für RasenBallsport und nicht für Red Bull stehen soll, bringt so manchen Gegner der Leipziger noch mehr in Rage. Der Sächsische Fußball-Verband hatte zunächst alle Entwürfe für das Clubwappen abgelehnt, da es dem Markenzeichen des Konzerns zu ähnlich war. Nach leichten Änderungen wurde im Mai 2010 doch alles durchgewunken.

Dem Vernehmen nach erwogen der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball Liga einmal, gegen das Leipziger Modell zu klagen. Doch das hätte wohl auf wackligen Füßen gestanden. Schließlich wirkt insbesondere die TSG Hoffenheim mit Mäzen Dietmar Hopp als eine Art Präzedenzfall.

Fankultur lässt sich nicht kaufen

Nach ein paar Jahren ohne den erhofften Ertrag verpflichtete Mateschitz Ralf Rangnick. Und der führte den Club dorthin, wo er heute steht. Im oberen Regal des deutschen Fußballs.

Was sich allerdings nicht kaufen lässt, ist eine Fankultur. Selbst Trainer Domenico Tedesco bemängelte nach dem – nicht ausverkauften – Halbfinal-Hinspiel in der Europa League gegen die Glasgow Rangers die maue Stimmung. Zum Rückspiel reisten dann nur 1000 Anhänger, ein geplanter Fanmarsch wurde abgesagt.

Zuletzt schmiss der Club deswegen seine PR-Maschine an und wurde nicht müde zu betonen, dass man für das Pokalfinale 50 000 Tickets hätte verkaufen können. Viele Fans gingen demnach leer aus. Und auf einen gemeinsamen Finalschal mit Freiburg müssen sie verzichten.

Von Tom Bachmann, dpa

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