Muss das BVB-Trainingslager verlassen: Neuzugang Sébastien Haller. (Urheber/Quelle/Verbreiter: David Inderlied/dpa)

Die bisher gelöste Stimmung auf dem Trainingsgelände von Borussia Dortmund war mit einem Mal verflogen. Auch am Morgen nach der bitteren Diagnose für Mannschaftskollege Sébastien Haller verspürte kein Profi wirklich Lust auf Fußball.

In Abwesenheit des an einem Hodentumor erkrankten Angreifers fiel es allen Beteiligten sichtlich schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Die idyllische Kulisse der Schweizer Alpen mit Kaiserwetter passte nicht zur angespannten Gemütslage.

Ähnlich wie die Profis wirkte Hans-Joachim Watzke auch am Dienstag noch sichtlich mitgenommen. «Ehrlichweise stehen wir nach wie vor unter Schock. Innerhalb von 24 Stunden wurde sein Leben komplett auf den Kopf gestellt», sagte der BVB-Geschäftsführer in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur und gewährte Einblick in den denkwürgen Verlauf des Vortages: «Das Thema hat sich gestern innerhalb weniger Stunden immer weiter verschärft.»

Noch während der ungewohnt stillen Einheit seiner Mannschaftskollegen am Vormittag meldete sich Haller aus Deutschland über die sozialen Medien zu Wort und gab sich kämpferisch: «Ich möchte euch aus tiefsten Herzen für die vielen warmherzigen Nachrichten danken. Ich war sehr bewegt. Aber ich weiß, dass es dank Euch nicht mehr als eine weitere Prüfung auf unserem Weg wird. Wir werden uns sehr schnell auf dem Platz sehen, um unsere nächsten Siege zu feiern.»

Diagnose sorgt für Schock beim BVB

Noch während der ungewohnt stillen Einheit seiner Mannschaftskollegen meldete sich Haller aus Deutschland über die sozialen Medien zu Wort und gab sich kämpferisch: «Ich möchte euch aus tiefsten Herzen für die vielen warmherzigen Nachrichten danken. Ich war sehr bewegt. Aber ich weiß, dass es dank Euch nicht mehr als eine weitere Prüfung auf unserem Weg wird. Wir werden uns sehr schnell auf dem Platz sehen, um unsere nächsten Siege zu feiern.»

Noch beim Testspiel am Montagabend gegen den FC Valencia im österreichischen Altach schien die BVB-Welt trotz des 1:3 (0:1) in bester Ordnung. Erst nach der Rückfahrt in den Schweizer Kurort Bad Ragaz erfuhren die Profis, warum der 28 Jahre alte Nationalspieler der Elfenbeinküste beim morgendlichen Training über Unwohlsein geklagt und im Duell mit dem spanischen Erstligisten gefehlt hatte.

Als die Mannschaft beim Abendessen informiert wurde, herrschte im Speisesaal der Nobelherberge gespenstische Stille. «So eine schlimme Nachricht, jemanden aus deinem engsten Kreis betreffend, beeinflusst natürlich das ganze Trainingslager», kommentierte Watzke.

Haller für Behandlung zurück in Dortmund

Schon vor der Rückkehr des Teams in das Trainingsquartier hatte Haller die Rückreise nach Dortmund angetreten. Laut Vereinsmitteilung finden nun «weitere Untersuchungen in einem spezialisierten medizinischen Zentrum» statt. «Wir werden alles in unserer Macht Stehende dafür tun, dass er die bestmögliche Behandlung erfährt», sagte Kehl.

Beim umfassenden Medizincheck vor vier Wochen in Dortmund war die Erkrankung noch nicht festgestellt worden. Laut der Lizenzierungsordnung der Deutschen Fußball Liga sieht der in den Statuten vorgeschriebene alljährliche Medizincheck keine Krebsdiagnostik vor. Im Frühstadium wird Hodenkrebs laut Deutscher Krebsgesellschaft praktisch immer geheilt. Selbst in fortgeschrittenen Stadien besteht eine gute Heilungschance. Im Unterschied zu den meisten anderen dieser Erkrankungen sind die Betroffenen zumeist noch jung. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 38 Jahren.

Gedankenspiele über mögliche Konsequenzen für die Kaderplanung hält Watzke für verfrüht: «Jetzt in Hektik und Aktionismus zu verfallen, ist aus meiner Sicht moralisch-ethisch ein Problem. Wir dürfen nicht über die Gesundheit eines Spielers spekulieren, bevor es glasklare Diagnosen gibt. Bis es soweit ist, werden noch einige Tage vergehen.»

Trainer Edin Terzic pflichtete dem Vereinschef bei: «Über sportliche Themen, die dieser Verlust mit sich bringt, haben wir uns noch keine großen Gedanken gemacht. Wir wissen gar nicht, wie lang genau die Ausfallzeit sein wird. Wir werden uns auf alles vorbereiten.»

Vergleichbar schockierende Nachrichten hatte es zuletzt auch bei anderen Bundesligisten gegeben. So war in der Vorwoche bei Marco Richter (24) von Hertha BSC ein Hodentumor festgestellt worden. Der Außenstürmer steht wegen einer Operation für unbestimmte Zeit nicht zur Verfügung. Timo Baumgartl von Lokalrivale 1. FC Union war es ähnlich ergangen. Der Verteidiger hatte sich im Mai wegen eines Hodentumors operieren lassen und hofft nun auf ein baldiges Comeback.

Genesungswünsche an BVB-Stürmer

Noch am Montagabend sendeten beide Berliner Vereine Genesungswünsche an Haller. «Wir wünschen alles erdenklich Gute und die bestmögliche Genesung», schrieb Hertha bei Twitter. Auf Unions Twitter-Account hieß es: «Lieber Seb, komm schnell wieder!» Und auch der betroffene Baumgartl äußerte sein Mitgefühl. «Du bist nicht allein», schrieb der Abwehrspieler bei Instagram an Haller gerichtet.

Der Ausfall Hallers trifft den BVB in seiner Vorbereitung auf die neue Saison nicht nur aus psychologischer, sondern auch aus sportlicher Sicht hart. Schließlich gilt der kurz zuvor für über 30 Millionen Euro von Ajax Amsterdam verpflichtete Profi als BVB-Königstransfer des Sommers und soll die Lücke im Sturmzentrum schließen, die nach dem Abgang von Erling Haaland zu Manchester City entstanden ist.

Noch bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im schwarz-gelben Trikot am vergangenen Sonntag hatte Haller Zuversicht ausgestrahlt: «Ich komme nicht als Nachfolger von jemandem zu Borussia Dortmund, sondern weil der Verein meine Qualität benötigt. Also werde ich mein Bestes geben, um das Vertrauen zurückzugeben.»

Reus: «Er ist ein Riesenstürmer»

Erste Einheiten mit dem vor gut einer Woche ins Training eingestiegenen Haller hatten Marco Reus in seinem Glauben bestärkt, dass sein neuer Sturmpartner schon bald aus dem langen Schatten von Haaland heraustreten könnte. «Er ist zwar nicht so schnell wie Erling, aber ein Riesenstürmer. Wir haben nicht viele Waffen verloren», kommentierte der BVB-Kapitän am vergangenen Samstag und warb um Geduld mit dem Neuzugang: «Geben wir ihm ein bisschen Zeit, um anzukommen.» Nun muss Haller erst einmal genesen.

Er hatte in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt von 2017 bis 2019 mit Marco Russ zusammengespielt. Dessen Beispiel könnte dem BVB-Neuzugang Mut machen: Der Defensiv-Allrounder war im Mai 2016 wegen einer ähnlichen Erkrankung operiert worden und hatte beim 1:0 im Viertelfinalspiel des DFB-Pokals gegen Arminia Bielefeld am 28. Februar 2017 sein Comeback gefeiert.

Von Heinz Büse, dpa

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