Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Bernd Neuendorf kam direkt vom Check-in-Schalter 9. Im dunklen Hemd und mit konzentriertem Blick stellte sich der DFB-Präsident eine Nacht nach dem desolaten Scheitern der Nationalmannschaft bei der Fußball-WM vor die zahlreichen Mikrofone in der Abflughalle des Flughafens in Doha.

Etwas über zweieinhalb Minuten sprach der 61-Jährige – und sagte vordergründig nicht viel. Dem Deutschen Fußball-Bund geht es nach dem WM-Aus trotz des 4:2 gegen Costa Rica insbesondere um eins: Zeit zu gewinnen. In der kommenden Woche kommt es zur Krisensitzung.

Die Aussagen von Bernd Neuendorf im Detail:

«Das Ausscheiden aus dem Turnier schmerzt außerordentlich.»

Heißt: Der DFB war mit Weltmeister-Erwartungshaltung nach Katar gereist, der Verband wähnte sich auf bestem Weg «zurück an die Weltspitze». Deutlicher hätte das Unternehmen viereinhalb Jahre nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in Russland nicht scheitern können.

«Wir müssen trotzdem den Blick nach vorne richten und werden deshalb ein geordnetes Verfahren einleiten, wie wir mit dieser Situation umgehen.»

Heißt: Bloß keine Schnellschüsse. Nachdem Bundestrainer Hansi Flick und DFB-Direktor Oliver Bierhoff am Donnerstagabend Rücktritte vorerst ausgeschlossen hatten, ging Neuendorf der Personalfrage aus dem Weg. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

«Dieser Fahrplan sieht vor, dass wir uns in der kommenden Woche zusammensetzen werden. Das bedeutet Hansi Flick, das bedeutet Oliver Bierhoff, Aki Watzke und meine Person.»

Heißt: Mehr Entscheidungskraft im deutschen Fußball geht nicht. Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist DFB-Vizepräsident und vor allem Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball Liga. Zudem macht der DFB deutlich, dass mit Flick und Bierhoff gesprochen wird – nicht über beide.

«Meine Erwartung an die sportliche Leitung ist, dass sie zu diesem Treffen eine erste Analyse vornimmt, eine sportliche Analyse dieses Turniers. Dass sie aber auch Perspektiven entwickelt für die Zeit nach dem Turnier mit dem Blick auf die Europameisterschaft im eigenen Land.»

Heißt: Erkennbarer Druck für Flick und Bierhoff. Neuendorf macht deutlich, dass die sportliche Leitung vorbereitet zur Krisensitzung erscheinen muss. Ein «Weiter so»will er nicht hören. Dafür ist die Heim-EM zu wichtig, auch für den erst im März gewählten DFB-Präsidenten.

«Und diese Analyse muss auch umfassen die Entwicklung der Nationalmannschaft, unseres Fußballs seit 2018, seit der letzten WM.»

Heißt: Das böse Erwachen in Russland hatte Flicks Bundestrainer Joachim Löw stark beschädigt. Was ist seitdem wirklich besser geworden? Flick deutete bereits an, weiterhin großes Vertrauen in die Qualität seiner Spieler zu haben – angesichts der Erfolge im Vereinsfußball nicht ganz zu Unrecht.

«Wir werden auf dieser Grundlage dann weitere Gespräche führen.»

Heißt: Es sollen auch in der kommenden Woche keine Eilmeldungen zum Führungspersonal erwartet werden. Dem Verband wird die Weihnachtspause etwas Luft verschaffen. Gespielt wird in der Bundesliga erst wieder Mitte Januar.

«Und wir gehen davon aus, dass wir diese Gespräche in großem Respekt miteinander führen und auch vertraulich. Insofern bitte ich auch um Verständnis, dass wir keine Wasserstandsmeldungen abgeben werden.»

Heißt: Neuendorf kommt aus der Landespolitik, er kennt das Ärgernis, das Informationen aus Gesprächen durchgestochen werden. Insofern ist das auch ein Test für die wenigen Beteiligten. Dringt nichts durch, zeugt das von Vertrauen.

Arne Richter, Klaus Bergmann und Jan Mies, dpa

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